Face Music - Catalog - Ensemble Ülger
  • Ensemble Ülger - Altyn Köök - Vol. V - Traditional songs of the Khakas people




- Catalog (in stock)
- Back-Catalog
- Mail Order
- Online Order  
- Sounds
- Instruments
- Projects
- History Face
- ten years 87-97
- Review Face
   
- our friends
- Albis Face
- Albis - Photos
- Albis Work
- Links

- Home

- Contact

 
- Profil YouTube
- Overton Network

P & C December 1998
- Face Music / Albi

- last update 03-2018


- FM 50066 - P & C 2018
in German  


Instrumentalbegleitung zum Khai-Ballet “Altyn Köök” - Goldener Kuckuck (15 Szenen)

Instrumentalbegleitung zum Ballett basierend auf einer Heldensage (alyptygh nymakh). Texte werden mit Kehlkopfstimme (khai styl) in Begleitung von Melodien (kögler) auf der Kastenzither (chatkhan) oder der Laute (khomys) rezitiert. Die Arrangements basieren auf traditionellen Melodien, die von Aycharkh Sayn überarbeitet wurden, mit Ausnahme der Szenen 10, 13 und 15. Die Aufführung erfolgt mit Kehlkopfgesang (khai), d.h. mehrheitlich ohne Texte gehalten (Wortlos = khurukh khai), was ungewöhnlich für die chakassische Tradition ist. Durch die textlose Darbietung will man alle Menschen auf der Welt erreichen (Uraufführung 2014).

Der Kuckuck in der chakassischen Kultur


Der Kuckuck in der chakassischen Kultur wird als ein mächtiger und magischer Vogel dargestellt, verbunden mit dem Erwachen der Natur im Frühling. Dies spielt eine wichtige Rolle im animistischen Weltbild und in schamanischen Ritualen. Der Vogel kommt in Liedern (saryn oder yr) vor, diese sind mehrversig gehalten mit einem mehr oder weniger feststehenden (kanonisierten) Text und oftmals verbunden mit improvisierten Melodien (takhpakh), in Legenden (kip-chookh) oder Epen (alyptygh nymakh), so wie auch in schamanischen Frühlingsritualen. In solchen Geschichten oder schamanischen Vorstellungen wird der Kuckuck um Hilfe zur Wiederbelebung gerufen.

Die Geschichte "Altyn Köök"

Hier wird erzählt, wie es dazu gekommen ist, dass der Kuckuck seine Eier in andere Vogelnester legt. Altyn Köök war vorerst kein Vogel, sondern ein Mädchen namens Pije (Ältere Schwester); sie hatte einen jüngeren Bruder, Tungma, der sich in ein Mädchen in der Gestalt eines rosa Flamingos (Khyskhylykh*) verliebt hatte.

Um sie zu gewinnen, muss Tungma mehrere heldenhafte Taten vollbringen und den schlechten Khara Khan (Schwarzer Herrscher) besiegen. Tungma und seine Schwester treffen sich mit Apsakh (Graubart), einem alten Weisen, der dem jungen Tungma voraussagt, dass Gefahren auf seinem Weg lauern und diese zu bewältigen sind. Gefahren, die zu seinem Tod führen.

"Du wirst nicht zurückkehren von dem Ort, auf dem du hingehst, deine Schwester aber kann dich retten."

Wenn Tungma stirbt, kann Apsakh ihn wieder beleben, das geht aber nur auf Kosten von Pije. Apsakh warnt die beiden deshalb. "Damit man etwas bekommt, muss man etwas geben. Dein Schicksal Pije wird sein, dass du deine Kinder nicht aufziehen wirst, das heisst, du wirst vorzeitig sterben. Um deinen Bruder retten zu können, wirst du in einen Kuckuck verwandelt". Pije akzeptiert diese Bestimmung und Apsakh zeigt ihr das goldene Kleid, das sie zu einem Kuckuck verwandeln wird.
Tungma geht los, um seine Aufgaben zu erfüllen und trifft auf viele Gefahren. Unterwegs träumt Tungma von rosa Flamingos (Khyskhylykh), die sich in Mädchen verwandeln, nachdem sie ihr Vogelkleid ausgezogen haben, um ein Bad im See zu nehmen. So trifft Tungma hier auf seine Geliebte in menschlicher Gestalt, nachdem er ihr Vogelkleid gestohlen hatte, während sie ein Bad nahm. Ihr Vater Khara Khan spürt die beiden auf und führt anschliessend seine Tochter nach Hause.
Darauf wird Tungma beinahe von Khuu-khat erstochen, einer schmutzigen, blutlosen Hexe mit Kupfernase, Zinnaugen, blondem Haar und langen, baumelnden Brüsten, die von Khara Khan geschickt wurde, um den Liebhaber seiner Tochter zu töten. Die abscheuliche Hexe verzaubert Tungma während seines Schlafs und war dabei, ihn zu töten. Seine Schwester Pije aber, in der Form eines goldenen Kuckuck, weckt ihn gerade noch rechtzeitig mit ihrem Vogelruf. Dies erlaubte Tungma, das Messer aus Khuu-khats Händen zu reissen, als die Hexe sich anschleichen wollte. Daraufhin kreuzt Chilbigen seinen Weg. Dieses siebenköpfige Monster geniesst es, täglich den Mond zu verdunkeln. Nun will Chilbigen ihn nur weitergehen lassen, nachdem sie miteinander gerungen haben. Während des Kampfes stellt sich heraus, dass Chilbigen aus sieben Personen besteht, die ihn gemeinsam besiegen wollen. Tungma wird getötet. Mit den magischen Worten von Apsakh wird Tungma wieder zum Leben erweckt; Pije verwandelt sich in einen Kuckuck mit goldenem Federkleid und mit einem roten und einem schwarzen Bein**. Tungma setzt seine Reise fort und schafft es, Khara Khan zu besiegen, nachdem er Khara Khans den Männerzopf (Kijegei***) abgeschnitten hat. Nun kann Khara Khans Tochter (Khyskhylykh) Tungmas Antrag annehme und Tungma heiraten. Tungma’s Schwester Pije muss von nun an als goldener Kuckuck unverheiratet bleiben und nun ihre Eier in Nestern anderer Vögel legen.

*Khyskhylykh – rosa Flamingos fliegen über Chakasien Richtung Süden zur Überwinterung. In früheren Zeiten wurden diese Vögel mit Glück bei der Suche nach einer Frau in Zusammenhang gebracht: wenn ein unverheirateter Mann einen Flamingo fing, stand es ihm frei, jedes Mädchen zu heiraten, das er wollte – wie reich auch immer ihre Familie war – ohne irgendeine Mitgift zu bezahlen.
**Kuckucks mit einem roten und einem schwarzen Bein gibt es in der Natur, sie sind aber sehr selten, wie Sayn Aycharkh erklärt.
***Kijegei (Männerzopf): hier liegt die Kraft der Herrscher – siehe auch in Vol. VI, Lied Nr. 1 Khan Kejegei.

Ensemble Ülger:
- Altyn Tan Tayas: voice, küngür-khomys (lute), khobyrakh (flute)
- Tülber Pögechi: voice, topchyl-khomys (lute)
- Tagir Asochak: voice, yykh (fiddle)
- Aycharkh Sayn: voice (khai in küülip, kharygha and syghyrtyp styles), chatkhan (wooden box zither)
- Lunic Ivanday: voice (khai in kharygha style), syylas (flute), timir-khomys (jew‘s harp), tüür (frame drum, shaman's drum)
- Mirgen Irgit: voice (khai in küülip and syghyrtyp styles), khobyrakh (flute), khongyros (leather rattle), sang (hand bell) sangyros (metal ring rattle), müüs (horn rattle), khazykhtar (sheep knucklebones), tuighakhtar (horse hoove clapper)
 
1. Khaijy (Kaichi)
Einführung in die Geschichte (Kaichi – Geschichtenerzähler mit Kehlkopfstimme).

2. Pije-Tungma.
Die ältere Schwester Pije und ihr jüngerer Bruder Tungma.

3. Apsakh
(Graubart) - Der Alte Weise.

4. Chookh
(Prophezeihung) – Der alte Weise schildert die Gefahren, die auf dem Weg zum Glück lauern, und bietet seine magische Hilfe an.

5. Altyn Köök 1
Pije verwandelt sich vorübergehend in einen goldenen Kuckuck.

6. Cholda
Tungma macht sich auf den Weg.

7. Tüs
(Traum) – Tungma träumt vom rosa Flamingo (Khyskhylykh), der sich in ein Mädchen verwandelt, und verliebt sich.

8. Toghazygh
(Rendezvous) – Tungma trifft sich mit seiner geliebten Khyskhylykh in deren menschlicher Gestalt. Sie wird aber von ihrem Vater Khara Khan (Schwarzer Herrscher) weggebracht.

9. Khuu-khat
(Zerlumpte Hexe) – Sie wird von Khara Khan geschickt, um Tungma zu töten, doch kann seine Schwester in der Gestalt eines Kuckucks ihren Bruder retten, indem sie ihn rechtzeitig mit ihrer Vogelstimme weckt.

10. Chìlbigen
(Siebenköpfiger Mondgeist) – Tungma trifft unterwegs auf Chilbigen und sie beginnen zu ringen, wobei Tungma getötet wird.

11. Syyt
(Trauer) – Pije trauert nun über den Tod ihres Bruders. Der Mond wird ohnmächtig und setzt seinen Weg beschwerlich fort.

12. Altyn Köök 2
Tungma wird durch die magischen Worte von Apsakh wiederbelebt. Pije seine Schwester wird nun endgültig zum Kuckuck und fliegt davon.

13. Khara Khan
Der wiederauferstandene Tungma trifft Khara Khan und sie beginnen zu kämpfen. Er schneidet Khara Khan seinen Zopf (Kijegei) ab und tötet ihn anschliessend.

14. Altyn Köök 3
Seine Schwester fliegt umher, als goldener Kuckuck, erfreut darüber, dass ihr Bruder den Khara Khan besiegt hatte. Sie organisiert nun die Hochzeit.

15. Tol telbegi
(Hochzeitstanz) – Die Hochzeit mit Khyskhylykh wird gefeiert und der Kuckuck fliegt herum und verteilt seine Eier.


Songs


16. Kiri tyt – Die alte Lärche
Lied (saryn) von Aycharkh Sayn, Volk der Saghai, Sapron aaly (Safronov), Askhys aimaghy / Abakan, basierend auf traditioneller Poesie von Mikhail Kil’chichakov (1919-1990), Chatkan-Spieler, Poet und Dichter.
- Altyn Tan Tayas – voice, khobyrakh (flute)
- Tülber Pögechi – topchyl-khomys (lute)
- Tagir Asochak – yykh (fiddle)
- Aycharkh Sayn – voice (khai in küülip, kharygha and syghyrtyp styles), chatkhan (wooden box zither)
- Lunic Ivanday – syylas (flute)
- Mirgen Irgit – khai in küülip style, sang (hand bell), khongyros (leather rattle)
Kontemplatives metaphorisches Lied über eine alte Lärche, die auf einem Felsen auf dem Berggipfel steht. Der Baum beherbergt ein Adlernest. Viele junge Vögel wurden darin aufgezogen und haben das Nest anschliessend verlassen. Wenn sie ausgeflogen sind, kehren sie irgendwann gerne wieder zum Nest ihrer Eltern zurück und kreisen darüber. Wie viel sie auch von der Welt gesehen haben, sie kehren immer zurück.
Das Lied ehrt Eltern: "Wo immer du dich niederlässt, niemals vergiss dein Elternhaus und die Heimat wo du aufgewachsen bist".


17. Sybyr chir – Die ganze Welt
Lyrisches Lied (saryn) von Aycharkh Sayn, Volk der Saghai, Sapron aaly (Safronov), Askhys aimaghy / Abakan.
- Altyn Tan Tayas – voice, küngür-khomys (lute)
- Tülber Pögechi – voice, topchyl-khomys (lute)
- Tagir Asochak – voice, yykh (fiddle)
- Aycharkh Sayn – voice (khai in küülip and kharygha styles), chatkhan (wooden box zither)
- Lunic Ivanday – voice (khai in kharygha style)
- Mirgen Irgit – voice (khai in küülip style), tuighakhtar (hors hoove clapper)
Wunsch nach Harmonie auf Erden.

Küstüglerge iris, kichiklerge parys / Khan tigirdeng tai altynda
Zur Vermehrung des Glücks und Verringerung des Gewinns / Vom Himmel zur reichen Erde herab
"Mögen unsere Lieder über die ganze Welt sich ausbreiten wie ein geflügeltes Pferd [Pegasus] und Freude und Frieden bringen für alle!"
 

Ensemble

Das Ensemble Ülger aus Abakan in der Republik Chakassien wurde im Jahr 1989 gegründet. Sie verpflichteten sich, ihre Tradition in der Musik und im Tanz am Leben zu erhalten. Ülger bedeutet "Plejaden", die Sterne, die im Winter am Himmel stehen. Sie steigen im frühen Herbst auf und künden die langen, dunklen Nächte und den Beginn der kalten Jahreszeit an. Einer Legende nach reitet Ülger mit seinem zweiköpfigen Pferd über den Himmel und bringt Kälte und Schnee. Die Menschen glaubten, die Plejaden wären der Wohnsitz der mächtigen himmlischen Wesen, die über ihr Schicksal entscheiden.

Die Plejaden: Die Muschin nehmen in der Burjat-mongolischen Kosmologie eine wichtige Stelle ein. Schon sehr früh glaubte man, dass die Tenger (mächtige himmlische Wesen) der westlichen Himmelsrichtung sich bei den Plejaden treffen, um sich mit ihnen darüber auszutauschen, wie man den Menschen im Kampf gegen Krankheit und Tod unterstützen kann. Während dieses Treffens erschufen sie den Adler, den ersten Schamanen. Die Plejaden-Muschin spielen im epischen Geser und dem Schöpfer Ülgen der Altaier ebenfalls eine wichtige Rolle.

Die Chakassier geniessen aufgrund des Erzählens ihrer Geschichten und Vortragen von Epen mit Kehlkopfstimme einen hohen Stellenwert, ebenso wie auch ihre turkstämmigen Nachbarn. Lieder und Geschichten werden oft in Begleitung der Laute oder der Kastenzither aufgeführt. Dabei gibt es Lieder für Zeremonien, Rituale, die die Menschen von der Geburt bis zum Tod begleiten, und solche für die Jahreszeiten. Die Chakassen besitzen auch ein begrenztes Repertoire an reinen Instrumentalstücken und verschiedenen zeremoniellen Tänzen. Männer wie auch Frauen haben sich bei Treffen und Zusammenkünften am Abend und während der langen Winternächte auf diese Weise unterhalten. Sie haben versucht, Geräusche der Natur und Töne, die sich beim Arbeiten ergeben, zu kopieren. Jäger und Viehzüchter verwendeten Tierlaute, um diese zu rufen oder anzulocken.
Eine orale Übermittlung ihrer Tradition ging mit der Russifizierung und durch eine Modernisierung der Folklore verloren. Clantreffen, Zeremonien zu Jahreszeiten und schamanische Sitzungen wurden verboten, ebenso wie rituelle Aufführungen an heiligen Orten. Das Vortragen von epischen Texten in der Kombination mit dem Glauben an eine spirituelle Kraft und deren religiöse und ethnische Bedeutung der Stammeszugehörigkeit waren nicht erlaubt.
Lebensereignisse wie Hochzeit, Geburt oder Tod, Zeremonien für Neugeborene und kleine Kinder, Totenwachen oder Gebete vor der Jagd gingen vergessen. Als Mitte der 80er Jahre die Politik gelockert wurde, fanden solche traditionellen Praktiken nur noch selten statt oder waren schon verschwunden. Vor allem Ritualzeremonien und epische Erzählungen von Stammesgeschichten mit historischer Bedeutung wurden nicht mehr aufgeführt. Die nicht-zeremonielle Musik war in folkloristische Bühnenmusik umgewandelt worden.

Junge Künstler versuchen heute, diese Tradition wieder zu beleben. Sie bewegen sich weg von der Sowjet-basierten, rekonstruierten "Volksmusik" und sind auf der Suche nach authentischen Mustern ihrer Vorfahren. Sie sammeln traditionelles Material von noch lebenden Interpreten, Audio-Aufnahmen und handschriftliche Musikmanuskripte aus Archiven. Sie erkundigen sich bei Besuchen von Verwandten, reden mit den Dorfältesten und suchen auch in historischen ethnographischen Quellen ihrer Vorfahren. Mit ihrem Repertoire will das Ensemble eine wichtige Rolle für den Prozess einer Wiederbelebung einnehmen.
In diesem Repertoire finden sich Heldenepen mit Kehlkopfstimme in Begleitung der Laute oder Kastenzither; ebenso alte Lieder, die den Alltag beschreiben, bei der Arbeit, zu Hochzeiten, Klagelieder, Zeremonien, Gebete an die Geistbesitzer des Himmels, der Berge, Wasser, Feuer und anderer Elemente. Viele Lieder hat man mit wenig oder gar keinen Texten gefunden, und deshalb rettet man Melodien vor dem Vergessen mithilfe von Improvisationen oder eingebauten, passenden Texten. Man will damit die kulturellen Traditionen und Werte für junge Generationen erhalten und an sie weitergeben. Dabei wird in den Texten deren Muttersprache verwendet.

Seit 2003 steht das Ensemble unter der künstlerischen Leitung und Führung von Aycharkh Sayn – einem begnadeter Musiker, virtuosen Kehlkopfsänger, Multi-Instrumentalisten und Geschichtenerzähler. Das Ensemble hat an Festivals und Wettbewerben in Russland und im Ausland teilgenommen. Sie haben in Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, der Schweiz, Frankreich und dem Vereinigten Königreich Konzerte gegeben. Im Jahr 2005 hat das Ensemble Ülger am Sayan Ring Festival für ethnische Musik in Sibirien teilgenommen, und seit 2006 wurden in Südfrankreich mehrmals Gastspiele gehalten, das letzte Mal im Jahr 2011, als sie am russischen Art Festival in Cannes teilnahmen. Im Februar 2012 wurden sie am russischen Maslenitsa Festival in London vorgestellt.


Chakassia und die Chakassier

Die Chakassier sind eine turkischsprachige Minderheit, die in den endlosen Steppen und der Bergtaiga am oberen Jenissei und im Minusinsker Becken, am Fusse des Altai-Saian Gebirges im südlichen Sibirien siedeln. Ihre turksprechenden Nachbarn sind die Tuwiner, Altaier und Schoren.
Im 17. Jahrhundert n. Chr. wanderte ein Teil der Stämme in den Tien Shan, womit das heutigen Kirgisistan entstand. Die abgewanderten Kirgisen haben ihnen eine reiche Kultur hinterlassen, wie auch eine alte Runenschrift.
In den Orchon-Inschriften aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. werden darin anschaulich die blutigen Kriege im 6. Jahrhundert mit den Stämmen der Göktürken, Xueyantuo und den Uiguren während der Han-Zeit beschrieben. Ebenfalls erinnern Lieder aus diesem Kampf für Autonomie bis heute daran. Felszeichnungen, Gräber, Ritualplätze und Hirschsteine erzählen von vergangenen Tagen und Völkern, die alle hier seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. gesiedelt haben, wie dies durch archäologische Funde belegt ist.
Die Zurückgebliebenen siedeln heute noch in den Ebenen und Steppen westlich des Jenisseis, stromaufwärts in der Bergtaiga und im Tal des Abakan und dessen Nebenflüssen. Im Jahre 1707 wurde das Land nach starkem Widerstand durch das russische Reich annektiert. Bis heute werden noch immer Lieder gesungen, die von Geschichten und Erlebnissen aus diesem Kampf für Autonomie erzählen. Im Jahr 1923 kam das Land unter Sowjetherrschaft, bis es im Jahr 1992 den Status einer autonomen Republik innerhalb der Russischen Föderation erhielt.

Im heutigen Raum Chakassiens siedelten vom 6. bis 13 Jahrhundert verschiedene ethnische Gruppen.
Die chakassischen Stämme waren selbst ein solch ethisch gemischter Zusammenschluss. Unter anderem siedelten in diesem Raum auch Keten (Chanten) und Nenzen (Samojeden), die zu den Stämmen der Ural-Gruppe gehören und eine finno-ugrische Sprache sprechen. Sie bildeten Stammesverbände und waren lange Zeit Vasallen unter verschiedenen turkstämmigen Konföderationen (Dschungaren, Oirat-Allianz), unter anderem auch unter den Kirgisen und einer Mandschu-chinesischen Quing Dynastie. In der frühen Sowjetzeit wurden sie zu "Chakassien" zusammengeschlossen; sie aber nennen sich selbst "Tadar" (Tataren) und achten in erster Linie auf ihre Abstammung (Familiennamen) und Clanzugehörigkeit (söök). Im Norden leben die Stämme Khyzyl, im zentralen Teil die Khaas. Dies sind Steppenstämme, die traditionell Hirten waren, die Sommerweiden und Alpwirtschaft betrieben, und nebenbei auch Jagd und Landwirtschaft. Im Süden waren dies die Taigastämme, die Saghai, Khoibal und Piltir: sie waren Fischer, Jäger und Sammler und betrieben Landwirtschaft.


Weltanschauung, Zeremonien und Rituale

Sie sehen das Universum in den folgenden drei Welten: eine obere Welt mit Khudai oder Khan Tigir ("höchste Macht am Himmelsgewölbe") und weiteren Mächten mit übernatürlichen Kräften; eine untere Welt mit Erlik, dem Herrscher der Welt der bösen Mächte; und die mittlere Welt, in der wir leben, zusammen mit Geistern, von denen die Berggeister den grössten Einfluss auf das Schicksal der Menschen ausüben. Man glaubte, von übernatürlichen Mächten abhängig zu sein, denen man sich unterzuordnen hat und Opfer darbringen muss. Dies stellt eine Form einer animistischen Religion (Animismus – magischer Glaube – alle Menschen, Tiere und Dinge in der Natur besitzen eine Seele – Geist, die über verschiedene Bedeutungen und unterschiedliche Charakter verfügen) dar. In den Elementen (Feuer, Wasser, Wind) wohnen Geister, darüber hinaus auch in Felsen, Bäumen, Bergen und an anderen besonderen Orten. Der Glaube an die Natur und mit ihr im Einklang zu stehen sind von grosser Bedeutung, wie dies aus vielen Texten zu erkennen ist. Tiere werden parallel zur menschlichen Gemeinschaft gesehen. Sie können wie Menschen in anderen Welten leben und sogar - vorübergehend oder dauerhaft - ihre Form verändern.
Nach dem Tod verlassen die Seelen den Körper und gehen in die "andere Welt", zu ihren Verwandten, die entweder in den nahestehenden Bergen oder irgendwo im Norden ihren Wohnsitz haben. Seelen, denen ein Übergang nicht gelungen ist, kehren als Böse Geister zurück.

Jahreszyklen wie Frühling, Sommer und Herbst werden mit Zeremonien und Ritualen begleitet. Das Neujahr (chyl pazy) beginnt im März mit der Tagundnachtgleichheit, und damit startet der Frühling. Mit der chyl pazy Zeremonie wird die dunkle, kalte Jahreszeit verabschiedet. Mit Gebeten und bunten Bändern (chalama), die an heilige Birken (pai khazyng) gebunden werden, begrüsst man die kommende warme Jahreszeit und hofft damit, der Wunsch nach einem fruchtbaren Jahr werde in Erfüllung gehen. Im Juni wird die erste Stutenmilch (tun pairam) gefeiert, in Begleitung von Wettbewerben wie Reiten, Ringen, Bogenschiessen und Gesangsvorführungen. Im Herbst feiert man ein Erntedankfest, womit der Natur dafür gedankt wird, ein fruchtbares Jahr geschenkt zu haben. Früher hatte man auch die Rückkehr der Zugvögel im Frühjahr zelebriert. Wie aus gefundenen Texten hervorgeht, schienen wandernde Vögel ein wichtiges Thema für Nomaden in Sibirien und Zentralasien gewesen zu sein. In Mehrjahreszyklen wurden grosse Opferrituale für die Geister des Himmels, des Berges oder des Wassers durchgeführt.
Schamanen oder Spezialisten wurden eingeladen, zwischen Mensch und Geisterwelten zu vermitteln. Der Geist der Natur (eeler) und insbesondere der Geist der Berge (tagh eezî) wurden häufig angerufen, auch in persönlichen täglichen Gebeten, um ihm Respekt zu erweisen und gute Beziehungen zu ihm zu pflegen. Bei gemeinschaftlichen Anlässen mit Anrufung und Gebeten wurden Geister angelockt, und es wurde für Wohlbefinden und um Schutz für Mensch und Tier gebetet. Hilfsgeister (töster) in Tierform dienten Schamanen und Experten. Man hatte sie angerufen, zu kommen und Hilfe leisten, um die Geister zu manipulieren, um drohendes Unheil, Unglück, Krankheit und Katastrophen zu verhindern. Wichtige Rituale wurden von Spezialisten geleitet; entweder von einem Alghyschy oder von Schamanen (kham). Wahrsagen, Heilung und Hexerei wurden ebenfalls von Spezialisten durchgeführt. Eine rituelle Handlung, die heute noch häufig praktiziert wird, ist eine Reinigung mit dem Rauch von brennendem Bergthymian, wobei die Formeln, von einem Experten (alaschy) geleitet, gesprochen werden.

Zeremonielle oder rituelle Poesie wurde entweder gesungen oder mit intonierter Stimme oder mit Kehlkopfstimme vorgetragen. Danksagungen, Segen, Gebete (alghys) führte man zu Anlässen auf, um in Sessions und mit lobenden Worten in schamanistischer Form mit den Hilfsgeistern zu kommunizieren. Dabei wurden diese aufgefordert, zu erscheinen und zu assistieren, um mit deren Hilfe die Mächte zu manipulieren. Die Chakassier kennen keine Loblieder (maktal) wie andere Turkstämme oder die Mongolen, mit welchen Personen, die Heimat, Berge etc. mit wohlgemeinten Texten gelobt werden.

Alghys werden dargeboten, um Schutz für neugeborene Kinder, ein frisch verheiratetes Paar, eine Familie, eine Gemeinschaft und auch für Tiere zu erbitten. Lokale Geister wurden ebenfalls um Hilfe geboten, um Schutz, für eine erfolgreiche Ernte, beim Betreten eines neuen Gebietes, oder vor der Jagd. Heute werden sie auch als lyrische Texte (Dichtungen) in Liederform gesungen. Gebete dienten zur Anrufung mächtiger Geistbesitzer der Natur, des Himmels, der Berge, des Wasser und der Taiga.
Schamanen und Heiler haben mit Anrufen und Gebeten ihre Hilfsgeister angelockt und sie um Hilfe darum gebeten, bei einer Sitzung zu assistieren. Um Geister anzulocken, verwendeten sie neben Formeln und Gebeten auch Pfeifen, Schreien, Stöhnen, Ausrufe, Tierimitationen, Sprechen von Texten oder gesungene Lieder und oft mit Begleitung durch eine Rahmentrommel.


Traditionelles Repertoire

Die Chakassier besitzen eine reichhaltige Tradition im Geschichtenerzählen in der Form von Poesie und Prosa, Sprichwörtern, Redewendungen, Phrasen, Rätseln, Liedern mit fixen oder improvisierten Texten, Totenliedern und Klagen, Hochzeitsliedern, Wiegenliedern, Arbeitsliedern und Wortspielen. Dabei haben die Texte gegenüber der Melodie immer Vorrang. Diese Formen stellten Mittel dar, um in einer überzeugenden Weise in erzählender oder gesungener Form Geschichten zu vermitteln. Die Poesie hat die Macht, Zuhörer zu verzaubern, und sie wurde nach festen Regeln vorgetragen. Inhaltlich gesehen ist die gesungene Poesie aufgebaut auf Beobachtungen zu Parallelen zwischen der menschlichen Erfahrung und der natürlichen Umgebung.

Die Chakassier kennen wie die Mongolen in Strophenform, ohne eigentlichen Refrain gesungene Lieder. Die Mongolen tragen solche mit voller Stimme und in höchster Tonlage vor, nicht aber die Chakassier. Die Melodie ist bei den Mongolen von einem "Mantel" umgeben; man singt mehr als drei Oktaven. Die chakassischen Melodien sind meistens eher beschränkt: sie umfassen oftmals nur eine Oktave, die der Saghaier sind sogar oft nur auf eine Quinte beschränkt. Diese Lieder unterliegen immer strengen Vortragsregeln. Es sind Vierzeiler, und der Anfang der Zeilen wird jeweils durch den gleichen Buchstaben des ersten Wortes bestimmt. Bei den Mongolen werden Texte von anderen Sängern übernommen, und es werden neue Improvisationen hinzugefügt: dadurch entstehen lange Geschichten (Lieder). Bei den Chakassiern ist ein Lied immer eine individuelle Improvisation. Die Mongolen singen lange Lieder vor allem, wenn sie in der offenen Steppe allein sind und langsam voranreiten. Das Repertoire ist Ausdruck für die Freiheit und die Weite der mongolischen Steppen und begleitet auch zyklische Riten des Jahres und Zeremonien des alltäglichen Lebens. Lange Lieder sind auch ein wesentlicher Bestandteil bei Festen in Rundzelten. Bei den Chakassiern existieren solche Lieder nicht, es ist auch verboten, in der offenen Steppe oder Taiga zu singen, weil dies Böse Mächte anlocken könnte. Sie machen auch keinen Unterschied zwischen langem oder kurzem Lied. Zu Riten werden alghys (Gebete, Segen, Danksagungen) und in Versammlungen alghys und takhparkh (Improvisationen) vorgetragen.
Solch schöperischer Reichtum vermittelt ihnen eine übernatürliche Quelle, die sie in Träumen vermittelt erhalten. Geschenke werden innerhalb der Linie (Familie) individuell und aufgrund ihrer Vorfahren weitergegeben. Männer und Frauen bekommen Unterstützung von spitiruellen Kräften, die unabhängig von ihnen sind, aber sie sind mitverantwortlich für mit Kehlkopfgesang vorgetragene Geschichten. Sie schützen und unterstützen „Kaichi“, Geschichtenerzähler von Epen und Sänger mit improvisierten Liedern.

In der chakassischen Gesellschaft wird solch schöpferischer Reichtum durch eine übernatürliche Quelle vermittelt, sie erhalten diesen in ihren Träumen. Solche Gaben werden nicht nur innerhalb der Linie (Familie) weitergegeben, sondern können auch einzelnen zugesprochen werden. Dank der Geschenke von Besitzgeistern sind Mann oder Frau mit Begabungen ausgestattet. Begabte Geschichtenerzähler von Epen (nymakh) sowie Sänger mit improvisierten Liedern (takhpakh) werden bei Auftritten von Besitzgeistern nymakh, khai oder takhpakh unterstützt. Die Künstler erhalten ihre Aufforderungen und ihre Inspiration in ihren Träumen und werden während ihrer Darbietung inspiriert und unterstützt.

In spontanen Treffen oder organisierten Zusammenkünften werden Lieder aufgeführt, vor allem bei festlichen Familientreffen oder Gesangswettbewerben. Akteuren war es erlaubt, Tag und Nacht zu singen, aber nur im und rund ums Haus im Dorfe. Die Chakassier haben daher, im Gegensatz zu den Tuwinern, Altaiern und Mongolen, keine Lieder gesungen, wenn sie unterwegs waren oder mit dem Pferd über die Steppen ritten. Das Singen in Steppe, Taiga und Bergen ist verboten, weil dadurch Böse Geister angezogen werden. Lieder wurden von Männern und Frauen gleichermassen aufgeführt, ausgenommen die Lieder, die mit geschlechtsspezifischen Tätigkeiten verbunden sind, wie Wiegenlieder und Arbeitslieder. Allgemein wurden Lieder ohne Kehlkopfstimme von Frauen vorgetragen, während epische Erzählungen mit Kehlkopfstimme Männern vorbehalten blieben.

Einige Lieder waren für besondere Anlässe wie Familienfeiern und Zeremonien zu Jahreszyklen bestimmt. Man hat zur Begrüssung oder zum Abschied einen Segen gesprochen. Liebeslieder, Werben um die Braut oder den Bräutigam sowie die Bestätigung der Verhandlungen für die Hochzeit und Mitgift bildeten ein beachtliches Repertoire. Im Zusammenhang mit dem Tod, der Totenwache, gibt es verschiedene Arten von Klageliedern (syyt): Rituelle Klagelieder werden im ersten Jahr nach dem Tod vorgetragen. Vor und während der Beerdigung: sogenannte söök syydy "Klage über der Leiche", und nach der Beerdigung: ibirig syydy "Klage während der Totenwache", zur Begleitung der Seelen der Verstorbenen in die andere Welt. Nicht-rituelle Klagelieder werden später zu Hause aufgeführt, um dadurch den Verstorbenen zu gedenken.

Die Gruppe von Liedern, die nicht an bestimmte Anlässe gebunden waren, umfasst sowohl improvisierte (takhpakh) wie auch feststehende Lieder (saryn/yr). Texte können solo von Interpreten frei improvisiert und oft mit einem Saiteninstrument begleitet werden. Takhpakh sind spontan improvisierte Texte und beschreiben die Natur, die Heimat, ein Zusammentreffen oder erzählen von einem anderen Sänger. Solche Texte werden oft bei Gesangswettbewerben, die als aitys bezeichnet werden, aufgeführt. Dabei duellieren sich im Wettbewerb zwei Sänger abwechselnd mit improvisierten Versen zu begrenzten Melodien und versuchen, sich gegenseitig an Originalität und Witz zu übertreffen. Solche Sänger geniessen Unterstützung durch ihren Besitzgeist, sie erhalten die Fähigkeit, solch inspirierte Texte vorzutragen. Feststehende Lieder werden von den Khaas, Khyzyl und Khoibal als „yr“ bezeichnet, und von den Saghai und Piltir als „saryn“, und sie besitzen mehrere Verse, sind auf ein Thema ausgerichtet und werden oft mit aufwändigen Melodien begleitet. Die meisten solcher Lieder sind lyrische Lieder, in welche die Interpreten eigene Gedanken und Gefühle über Leben und Ereignisse im Alltag oder aus der Vergangenheit einfliessen lassen; einige handeln von ihrer Arbeit. Es sind gesellige Spiele bei Zusammenkünften oder Klagelieder.

Im Repertoire gibt es eine kleine Gruppe von Klageliedern oder Klagen in poetischer Form (syyt), die als lyrische Lieder bezeichnet werden. Totenlieder sind rituelle Lieder; Klagen mit improvisierten Texten werden von einem Sänger vorgetragen und handeln vom Verstorbenen und dessen Hinterbliebenen. Persönliche Klagen können von einem anderen Sänger übernommen werden und fliessen nach und nach ins gemeinsame Liederrepertoire.
Andere poetische Klagelieder stammen aus Epen oder Geschichten (kip-chookh) und bilden die älteste Form der chakassischen Folklore. Klagen über Unglück, Elend oder Unterdrückung werden oft auch als „yr“ (Lied) bezeichnet. Darunter findet man Klagen von Tieren oder Menschen, die sich in Tiere verwandelt haben, und nun von harten Lebensbedingungen oder unfairer Behandlung erzählen. Dabei werden Parallelen zu Unterdrückung und dem Vassallendasein des Volkes aufgezeigt.

Epische Geschichten, „Geschichte mit einem Helden“, sind ihre bedeutendste Tradition, die von ausgewählten Spezialisten bei Versammlungen während langer Winternächte rezitiert werden - ebenfalls zur Begleitung von Seelen in andere Welten, oder vor einer Jagd, um den Besitzgeist der Tiere zu bitten, ein Wildtier erlegen zu dürfen. Erzählungen mit Kehlkopfstimme in Begleitung der Kastenzither oder einer Laute waren männlichen Interpreten vorbehalten und wurden "Geschichte mit einem Pferd" genannt. Unbegleitete Erzählungen, die mit intonierte Stimme aufgeführt [oder rezitiert] werden, nennt man "Geschichte zu Fuss"; diese durften auch von Frauen vorgetragen werden. Eine „Geschichte mit einem Pferd" begann mit einem instrumentalen Vorspiel, danach wird die Geschichte in abwechselnder Form mit Kehlkopfstimme und mit wiederholtem Text mit temporären Verschiebungen zu einem höheren oder tieferen Ton und mit unbegleiteten intonierten Reden erzählt. Die Obertöne des Kehlkopfgesangs schaffen eine aussergewöhnliche Stimmung, die anschaulich ein übernatürliches Zeit-Raum-Gefühl entstehen lässt, in welchem eine epische Welt zum Leben erweckt wird. Ab und zu wird die Geschichte mit einem instrumentalen Zwischenspiel unterbrochen oder mit einem Segen und lobpreisenden Worten, Liedern und Klagen unterlegt.
Die talentiertesten Geschichtenerzähler werden durch Inspiration ihrer Besitzgeister unterstützt und eelîg khaijy (Kaichi) genannt. Sie könnten endlos ihre langen Erzählungen oder Geschichten, die mehrere Nächte in Folge dauern, vortragen und nur mit kurzen Pausen unterbrochen werden. Die Tradition der Geschichtenerzähler wurde von Interpreten der Khyzylstämme ununterbrochen bis in die 70er Jahren fortgesetzt. Unter den letzten Grossen waren Semyon Kadyshev (1885-1977), der bei den Khaasstämmen in der Nähe des Lake Shira lebte. Die Geschwister Pjotr Kurbizhekov (1910-1966) und Anna Kurbizhekova (1930-1990) lebten am Fluss Üüs.

Erzählungen in Prosa, genannt „kip-chookh“, die gleichermassen von Frauen und Männern erzählt werden, umfassen heilige Mythen, über die Entstehung der Welt, über Schöpfer, Besitzgeister und andere übernatürliche Mächte; Geschichten und Legenden über historische Helden, Schamanen, Vorfahren der Stämme; sowie humorvolle Geschichten und Märchen. Die umfangreichsten kip-chookh Geschichten (wie auch alyptygh nymakh, „Geschichten mit einem Pferd“) enthalten Lieder, Totenlieder und Klagen.

Geschichten und Gesang werden von Saiteninstrumenten begleitet. Damit wurden auch die Gangart eines Pferdes imitiert oder Abenteuer der Helden hervorgehoben. Jäger verwendeten verschiedene Blasinstrumente, um ihre Tiere mit Tierlauten anzulocken. Flöten, Saiteninstrumente oder die Maultrommel hat man mehrheitlich in der Freizeit zur Unterhaltung eingesetzt. Man improvisierte zu bekannten Melodien oder kreierte spontan eigene Melodien, die von Umgebungsgeräuschen inspiriert waren.
Solch schöpferischen Reichtum vermittelt ihnen eine übernatürliche Quelle, er wird in den Träumen vermittelt. Solche Gaben werden innerhalb der Linie (Familie) individuell und aufgrund ihrer Vorfahren weitergegeben. Männer und Frauen bekommen Unterstützung von spirituellen Kräften, die unabhängig von ihnen sind, aber sie sind mitverantwortlich für mit Kehlkopfgesang vorgetragene Geschichten. Sie schützen und unterstützen „Kaichi“, Geschichtenerzähler von Epen und Sänger mit improvisierten Liedern.


Traditionelle Stimmtechnik

- Khai (Kehlkopfgesang)
Khai (oder Kai, wie es von den Altaiern und Schoren genannt wird) ist eine traditionelle Form des Obertongesanges aus der nordwestlichen Saian-Altai-Region, wobei nur die tiefsten und höchsten Stimmlagen verwendet werden. Diese Kunst war vorwiegend eine männliche Gesangstechnik, obwohl auch Frauen dafür bekannt sind. Sie ist untrennbar mit heroischen Geschichten, Geschichten mit einem Helden/in verknüpft, geniesst hohes Ansehen und stellt einen wichtigen Teil des kulturellen Erbes dar.

Kehlkopfgesang oder Obertongesang ist allen südlichen sibirischen Turkvölker gemein, dabei vielen mongolischen und auch einigen kasachischen Stämmen, und dieser Gesang ist auch von vielen Turk-Stämmen in Mittelasien zu hören.
Der Obertongesang ist eine spezielle Technik, bei welcher ein einzelner Sänger gleichzeitig zwei verschiedene Töne erzeugt. In seiner reinsten Form (Tuwa und Mongolei) ist ein Ton ein tiefer, nachhaltiger Grundton (eine Art Bordun), und der zweite Ton ist eine Reihe von flötenähnlichen Harmonien, die hoch über diesem Bordun mitschwingen. Wahrer Meister können Obertöne lauter klingen lassen als den Grundton, so dass der Bordun nicht mehr hörbar ist. Eine andere Technik, die oftmals verwendet wird, kombiniert einen normalen glottalen Ton mit der niederfrequenten pulsähnlichen Schwingung oder Vibration, die als Unterton bekannt ist. Texte werden für gewöhnlich in einer solchen Unterton-Stimmlage von etwa 25-20 Hz gesungen. Schoren oder Chakassier singen ihre Texte nicht in einer solchen Unterton-Stimmlage, sie benützen kharygha.

Im Gegensatz zu den Tuwinern und Mongolen lassen die weiter nördlich gelegen Chakassier, Altaier und Schoren die Obertöne beim Kehlkopfgesang nicht so stark hervortreten. Kehlkopfgesang besteht darin, dass ein Grundton erzeugt wird, während das Zwerchfell zusammengedrückt und die Stimmbänder zusammengekniffen werden. Auf diese Weise entsteht ein rauer Ton, der von den weichen Obertönen begleitet wird, die sich mit den Lauten des rezitierten Textes ändern: dadurch wird schliesslich ein vielschichtiger Ton erzeugt, der über dem Grundbordun schwebt. In erster Linie werden Geschichten zusammen mit einem Saiteninstrument aufgeführt. Aber in der chakassischen Tradition werden die Obertöne nur selten zur Erzeugung einer Melodie verwendet. Khai wird nicht eingesetzt, um Virtuosität darzustellen, sondern vielmehr um Texte in einer überzeugenden Weise zu vermitteln; aus diesem Grund wird dies nur selten unabhängig dargeboten. Durch die Khaitechnik der Geschichtenerzähler wird eindeutig der Text hervorgehoben, während gleichzeitig Obertöne subtil über dem Text mitschwingen. Obertöne helfen dabei, den Text der Geschichte zu verstärken, wobei ein aussergewöhnlicher Klang über dem Text geschaffen wird, der ein übernatürliches Zeit-Raum-Verständnis bewirkt, in dem die epische Welt und die Geschichte zum Leben erweckt werden.

- Kharygha
, kharghyra (abgeleitet von khorlirgha, für Schnarchen) oder ulugh chon khai (Khai der angesehenen Ältesten) ist der tiefste Ton, den eine menschliche Stimme erzeugen kann. Dieser ist verwandt mit dem karkyra der Altaier und dem kargyraa der Tuwiner. Dieser Ton muss aus dem tiefsten Teil der Luftröhre aufsteigen und im Brustkorb mitschwingen. Er wird für kurze Episoden in Heldengeschichten verwendet.

- Küülip oder küveler bedeutet "summen" und klingt eine Oktave höher als kharygha. Es ist mit dem khöömei der Tuwiner, dem köömöi der Altaier und mit dem khöömij der Mongolen verwandt. Man konzentriert sich aber weniger darauf, einen ausmachbaren Oberton zu erzeugen. Dies ist der Hauptstil für das Geschichtenerzählen. Oftmals lautet die Bezeichnung dafür schlicht "khai", weil es der einzige Stil ist, der die Sowjetzeit überlebt hat.

- Syghyrtyp heisst soviel wie "pfeifen" und ist ein Obertongesangsstil, bei dem aus der Kehle Töne kommen, die mit dem Pfeifen des Windes vergleichbar sind. Obertöne werden zwischen der Mundhöhle, dem Rachen und der Zunge erzeugt. Dieser Stil ist mit dem „sygyt“ der Altaier und Tuwiner verwandt. Dabei handelt es sich um einen Stil, bei dem man die höchsten und hellsten Töne erklingen lässt, weil die höchsten Stimmlagen verwendet werden. (In der Natur hat jeder Ton Obertöne, selbst das Pfeifen des Windes hat seine Oberschwingungen). Pfeifen wird eher sparsam eingesetzt; nur bei kurzen Melodien am Schluss der Sätze, nach einem Summen (küülip), wird ein Pfeifen kreiert.

In den älteren Darstellungsformen wurde meist nur das Summen (küülip) für Geschichten und Lieder verwendet. Heute wird die Kehlkopfstimme (khai) vor allem für Lieder und in geringem Masse für Gebete eingesetzt. Kharghyra und syghyrtyp werden hier gleichermassen wie küülip gebraucht.

- Mehr Informationen siehe unter: Traditionelle Musik und Instrumente der MongolenTraditionelle Instrument der Chakasier and AltaiernTraditionelle Stimmtechnik der Chakasier and Altaiern.



Instrumente:
aghas-khomys

- Khomys (Saiteninstrument)

Dabei handelt es sich um eine zwei- oder dreisaitige Laute, die mit der altaiischen topshur, der doshpulur der Tuwa und der mongolischen tovshuur verwandt ist.

Die Chakassen spielen zwei verschiedene Arten der khomys: die aghas-khomys und die topchyl-khomys.
Beide haben einen Körper und Hals, die aus Zedernholz geschnitzt sind, aber während erstere einen Resonanzboden aus Zedernholz hat, ist der Körper der letzteren mit der Haut von Rehwild, Hausziegen oder Rindern bedeckt. Die traditionellen Saiten bestehen aus verdrehtem Pferdehaar, und die einzelnen Saiten sind in Quarten oder Quinten gestimmt; die dreisaitige khomys ist in einer Quarte plus einer Quinte gestimmt.



topchyl-khomys

- Yykh (Saiteninstrument)

Dabei handelt es sich um eine zweisaitige Fiedel der Chakassen, die mit der altaiischen ikili, der igil der Tuwa und der mongolischen ikil verwandt ist.

Ihr Körper ist dem der khomys ähnlich, verfügt aber über einen längeren Hals. Der Körper ist wie jener der topchyl-khomys mit der Haut von Rehwild, Hausziege oder Kalb bedeckt. Die Saiten sind aus verdrehtem Pferdehaar gefertigt und in einer Quart oder Quint gestimmt. Sie wird mit einem Bogen aus Weidenholz mit Pferdehaarsaiten gespielt und ist von Lärchen oder Zedernholzharz umgeben.









- Chatkhan or chadyghan (Saiteninstrument)

Gezupfte Kastentzither der Chakassen mit sechs bis vierzehn Saiten, weit verwandt mit der chadagan der Tuwa, der mongolischen yatga, der japanischen koto, der chinesischen quin und der koreanischen kayagum.

Die chakassische Zither ist ein 1,5 m langer Kasten aus Fichtenholz, wobei jede Metallsaite über einen eigenen beweglichen Steg aus Schafsknochen läuft. Ursprünglich bestand sie wahrscheinlich aus einem kurzen Körper (etwa 50 cm lang), der von unten wie eine umgedrehte Wanne ausgehöhlt wurde, mit Saiten aus Pferdeschwanzhaaren.
Im 18. Jahrhundert besass dieses Instrument aber bereits seine gegenwärtige Form: ein langer Kasten aus genagelten Brettern mit 6 oder 7 Metallsaiten. Diese Zither hat einen ziemlich weichen Klang, was sie zu einem idealen Instrument für kleine Zusammentreffen macht. Die chatkhan ist pentatonisch gestimmt, wobei eine oder zwei Saiten eine Quint oder eine Oktave unter der tiefsten Melodiesaite gestimmt sind, um dadurch den Bordun zu erhalten. Die Saiten werden rechts der beweglichen Stege mit der rechten Hand gezupft, um sowohl Melodie als auch Bordun zu erzeugen. Die linke Hand wird dazu verwendet, bestimmte Saiten links des beweglichen Stegs niederzudrücken. Auf diese Weise können diatonische Melodien gespielt werden, ebenso wie die schmückenden Gleittöne und Vibrati, die für dieses Instrument so typisch sind.

Anders als die langen Zithern (yatga) ihrer südöstlichen Nachbaren, der Mongolen, die die Langzither hauptsächlich am Königshof und in Klöstern verwendeten, da die Saiten die zwölf Ebenen der Palasthierarchie symbolisierten, wurde die chatkhan zur Begleitung lyrischer, historischer und epischer Lieder und Heldengeschichten in privaten Zusammenkünften der gemeinen Leute verwendet, insbesondere dabei bei Hochzeiten und nächtlichen Totenwachen.

Die chatkhan kann (wie die chakassischen Lauten) Heim eines Geistes sein, und somit ist die Benutzung und das Spiel an Tabus und Rituale gebunden.





- Khobyrakh or Shoor (Windinstrument)

Früher war es eine offene, am Ende geblasene Flöte, ähnlich jener, die von Bashkiren und Kaukasiern verwendet wird. Es handelte sich um ein 30 bis 80 cm langes, glattes Hohlrohr ohne Grifflöcher, das aus dem Stiel eines grossen Doldengewächses oder einer Weidenpflanze gefertigt ist. Der chakassische Stamm der Kachin benannte dieses Instrument “khobyrakh” (lit. “Bärenklau”, eine Art Doldengewächs), während die Stämme der Saghai und Shor es als “shoor” bezeichneten (wie die Altaier).

Heutzutage besitzt es einen kleinen Block mit oben einem Schlitz und ist aus Furnierholz (Esche, Mahagoni oder andere Arten) oder Kunststoff hergestellt.


chervil

- Syylas (Windinstrument)

Eine offene, am Ende geblasene Flöte, die von den Bashkiren und den Kaukasieren verwendet wird. Es handelt sich um ein langes, glattes, hohles Rohr (etwa 50-70 cm lang) mit vier Grifflöchern an der Vorder- und einem an der Rückseite. Sie wird aus dem Stiel der Riesenkerbel (sonnenschirmähnliche Pflanze, bezeichnet grosse Doldengewächse) oder aus Holz gefertigt. Heutzutage wird sie hauptsächlich aus Kunststoff gefertigt.

Melodien werden mittels Luftstrom durch Abdecken oder Aufdecken des unteren Endes mit einem Finger hergestellt. Da eine solche traditionelle Herstellung für Transporte ungeeignet, sehr zerbrechlich und vergänglich ist, wird dieses Instrument heute auch aus Kunststoff hergestellt. Es besitzt heute oft 3 oder manchmal 6 Grifflöcher.



chervil

- Timîr-khomys – Maultrommel.

Dabei handelt es sich um ein kleines, hufeisenförmiges Instrument, an welchem eine steife Feder befestig ist. Heutzutage wird es aus Blech oder Stahl gefertigt (timîr khomys bedeutet wörtlich übersetzt “Eisengerät“ ), aber früher wurde dieses Instrument aus Holz hergestellt.

Der Spieler platziert den Rahmen des Instruments mit seiner linken Hand an seinem Mund, wobei die Vorderzähne damit in Berührung kommen, und stösst die Feder, die als “Zunge” bezeichnet wird, mit seiner rechten Hand an. Die Instrumentenzunge wirkt wie ein Vibrator, während die Mundhöhle als Resonanzkörper fungiert. Der Spieler kann Tonhöhe und -lage verändern, indem er die Form der Mundhöhle ändert, die Kehle öffnet oder schliesst und die Stärke des Kontakts mit der Instrumentenzunge ändert.






- Tüür - Rahmentrommel oder Schamanentrommel (tungur) – (Schlaginstrument)

Die Trommel besteht aus einem runden Holzrahmen, der im Inneren mit einem vertikalen und einem horizontalen Holzstab fixiert und mit der Haut eines Paarhufers bedeckt ist. Früher wurde die Trommel nur als Ritualinstrument von Schamanen (kham) verwendet. Heute wird sie aber als das Hauptschlaginstrument in Musikgruppen eingesetzt.

Wird sie als Ritualinstrument verwendet, so befinden sich auf der Aussenseite des Trommelkopfes Zeichnungen sowie farbige Bänder (chalama), während Metallstückchen und Glöckchen an horizontalen Stäben im Inneren befestigt sind.

- Orba – Trommelschlegel aus Holz und Leder, gehört zur tüür.

Er ist aus der Harnblase eines Tieres hergestellt und mit Körnern gefüllt und weist einen Griff auf.






- Khazykhtar (Perkussionsinstrument)

Rassel aus Schafsknochen.



- Khongyros (Perkussionsinstrument)

Rassel aus Leder mit Körnern gefüllt.





- Sangyros (Perkussionsinstrument)

Handrassel mit Metallringen mit einem Handgriff die mit einem Pferde- und Wildschafkopf Ornament geschmückt sind.



- Sang (Perkussionsinstrument)

Aus Eisen gefertigt Glocke mit einem Ibex Handgriff aus Holz geschnitzt.



- Müüs (Perkussionsinstrument)

Rassel aus Kuhhorn mit kleinen Kieselsteinen gefüllt und mit Leder verschlossen.




- Tuighakhtar - Paddock – Pferdehuf (Perkussionsinstrument)

Pferdehufklapper

PageTop