Face Music - Catalog - Ensemble Ülger
  • Ensemble Ülger - Vol. II - Traditional songs of the Khakas people




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P & C December 1998
- Face Music / Albi

- last update 03-2016


- FM 50050 - P & C 2013
more information songs in German  


Ensemble

Das Ensemble Ülger aus Abakan in der Republik Chakassien wurde im Jahr 1989 gegründet. Sie verpflichteten sich, ihre Tradition in der Musik und im Tanz am Leben zu erhalten. Ülger bedeutet "Plejaden", die Sterne, die im Winter am Himmel stehen. Sie steigen im frühen Herbst auf und künden die langen, dunklen Nächte und den Beginn der kalten Jahreszeit an. Einer Legende nach reitet Ülger mit seinem zweiköpfigen Pferd über den Himmel und bringt Kälte und Schnee. Die Menschen glaubten, die Plejaden wären der Wohnsitz der mächtigen himmlischen Wesen, die über ihr Schicksal entscheiden.

Die Plejaden: Die Mushin nehmen in der Burjat-mongolischen Kosmologie eine wichtige Stelle ein. Schon sehr früh glaubte man, dass die Tenger (mächtige himmlische Wesen) der westlichen Himmelsrichtung sich bei den Plejaden treffen, um sich mit ihnen darüber auszutauschen, wie man den Menschen im Kampf gegen Krankheit und Tod unterstützen kann. Während dieses Treffens erschufen sie den Adler, den ersten Schamanen. Die Plejaden-Mushin spielen im epischen Geser und dem Schöpfer Ülgen der Altaier ebenfalls eine wichtige Rolle.

Die Chakassier geniessen aufgrund des Erzählens ihrer Geschichten und Vortragen von Epen mit Kehlkopfstimme einen hohen Stellenwert, ebenso wie auch ihre turkstämmigen Nachbarn. Lieder und Geschichten werden oft in Begleitung der Laute oder der Kastenzither aufgeführt. Dabei gibt es Lieder für Zeremonien, Rituale, die die Menschen von der Geburt bis zum Tod begleiten, und solche für die Jahreszeiten. Die Chakassen besitzen auch ein begrenztes Repertoire an reinen Instrumentalstücken und verschiedenen zeremoniellen Tänzen. Männer wie auch Frauen haben sich bei Treffen und Zusammenkünften am Abend und während der langen Winternächte auf diese Weise unterhalten. Sie haben versucht, Geräusche der Natur und Töne, die sich beim Arbeiten ergeben, zu kopieren. Jäger und Viehzüchter verwendeten Tierlaute, um diese zu rufen oder anzulocken.
Eine orale Übermittlung ihrer Tradition ging mit der Russifizierung und durch eine Modernisierung der Folklore verloren. Clantreffen, Zeremonien zu Jahreszeiten und schamanische Sitzungen wurden verboten, ebenso wie rituelle Aufführungen an heiligen Orten. Das Vortragen von epischen Texten in der Kombination mit dem Glauben an eine spirituelle Kraft und deren religiöse und ethnische Bedeutung der Stammeszugehörigkeit waren nicht erlaubt.
Lebensereignisse wie Hochzeit, Geburt oder Tod, Zeremonien für Neugeborene und kleine Kinder, Totenwachen oder Gebete vor der Jagd gingen vergessen. Als Mitte der 80er Jahre die Politik gelockert wurde, fanden solche traditionellen Praktiken nur noch selten statt oder waren schon verschwunden. Vor allem Ritualzeremonien und epische Erzählungen von Stammesgeschichten mit historischer Bedeutung wurden nicht mehr aufgeführt. Die nicht-zeremonielle Musik war in folkloristische Bühnenmusik umgewandelt worden.

Junge Künstler versuchen heute, diese Tradition wieder zu beleben. Sie bewegen sich weg von der Sowjet-basierten, rekonstruierten "Volksmusik" und sind auf der Suche nach authentischen Mustern ihrer Vorfahren. Sie sammeln traditionelles Material von noch lebenden Interpreten, Audio-Aufnahmen und handschriftliche Musikmanuskripte aus Archiven. Sie erkundigen sich bei Besuchen von Verwandten, reden mit den Dorfältesten und suchen auch in historischen ethnographischen Quellen ihrer Vorfahren. Mit ihrem Repertoire will das Ensemble eine wichtige Rolle für den Prozess einer Wiederbelebung einnehmen.
In diesem Repertoire finden sich Heldenepen mit Kehlkopfstimme in Begleitung der Laute oder Kastenzither; ebenso alte Lieder, die den Alltag beschreiben, bei der Arbeit, zu Hochzeiten, Klagelieder, Zeremonien, Gebete an die Geistbesitzer des Himmels, der Berge, Wasser, Feuer und anderer Elemente. Viele Lieder hat man mit wenig oder gar keinen Texten gefunden, und deshalb rettet man Melodien vor dem Vergessen mithilfe von Improvisationen oder eingebauten, passenden Texten. Man will damit die kulturellen Traditionen und Werte für junge Generationen erhalten und an sie weitergeben. Dabei wird in den Texten deren Muttersprache verwendet.

Seit 2003 steht das Ensemble unter der künstlerischen Leitung und Führung von Aycharkh Sayn – einem begnadeter Musiker, virtuosen Kehlkopfsänger, Multi-Instrumentalisten und Geschichtenerzähler. Das Ensemble hat an Festivals und Wettbewerben in Russland und im Ausland teilgenommen. Sie haben in Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, der Schweiz, Frankreich und dem Vereinigten Königreich Konzerte gegeben. Im Jahr 2005 hat das Ensemble Ülger am Sayan Ring Festival für ethnische Musik in Sibirien teilgenommen, und seit 2006 wurden in Südfrankreich mehrmals Gastspiele gehalten, das letzte Mal im Jahr 2011, als sie am russischen Art Festival in Cannes teilnahmen. Im Februar 2012 wurden sie am russischen Maslenitsa Festival in London vorgestellt.


Chakassia und die Chakassier

Die Chakassier sind eine turkischsprachige Minderheit, die in den endlosen Steppen und der Bergtaiga am oberen Jenissei und im Minusinsker Becken, am Fusse des Altai-Saian Gebirges im südlichen Sibirien siedeln. Ihre turksprechenden Nachbarn sind die Tuwiner, Altaier und Schoren.
Im 17. Jahrhundert n. Chr. wanderte ein Teil der Stämme in den Tien Shan, womit das heutigen Kirgisistan entstand. Die abgewanderten Kirgisen haben ihnen eine reiche Kultur hinterlassen, wie auch eine alte Runenschrift.
In den Orchon-Inschriften aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. werden darin anschaulich die blutigen Kriege im 6. Jahrhundert mit den Stämmen der Göktürken, Xueyantuo und den Uiguren während der Han-Zeit beschrieben. Ebenfalls erinnern Lieder aus diesem Kampf für Autonomie bis heute daran. Felszeichnungen, Gräber, Ritualplätze und Hirschsteine erzählen von vergangenen Tagen und Völkern, die alle hier seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. gesiedelt haben, wie dies durch archäologische Funde belegt ist.
Die Zurückgebliebenen siedeln heute noch in den Ebenen und Steppen westlich des Jenisseis, stromaufwärts in der Bergtaiga und im Tal des Abakan und dessen Nebenflüssen. Im Jahre 1707 wurde das Land nach starkem Widerstand durch das russische Reich annektiert. Bis heute werden noch immer Lieder gesungen, die von Geschichten und Erlebnissen aus diesem Kampf für Autonomie erzählen. Im Jahr 1923 kam das Land unter Sowjetherrschaft, bis es im Jahr 1992 den Status einer autonomen Republik innerhalb der Russischen Föderation erhielt.

Im heutigen Raum Chakassiens siedelten vom 6. bis 13 Jahrhundert verschiedene ethnische Gruppen.
Die chakassischen Stämme waren selbst ein solch ethisch gemischter Zusammenschluss. Unter anderem siedelten in diesem Raum auch Keten (Chanten) und Nenzen (Samojeden), die zu den Stämmen der Ural-Gruppe gehören und eine finno-ugrische Sprache sprechen. Sie bildeten Stammesverbände und waren lange Zeit Vasallen unter verschiedenen turkstämmigen Konföderationen (Dschungaren, Oirat-Allianz), unter anderem auch unter den Kirgisen und einer Mandschu-chinesischen Quing Dynastie. In der frühen Sowjetzeit wurden sie zu "Chakassien" zusammengeschlossen; sie aber nennen sich selbst "Tadar" (Tataren) und achten in erster Linie auf ihre Abstammung (Familiennamen) und Clanzugehörigkeit (söök). Im Norden leben die Stämme Khyzyl, im zentralen Teil die Khaas. Dies sind Steppenstämme, die traditionell Hirten waren, die Sommerweiden und Alpwirtschaft betrieben, und nebenbei auch Jagd und Landwirtschaft. Im Süden waren dies die Taigastämme, die Saghai, Khoibal und Piltîr: sie waren Fischer, Jäger und Sammler und betrieben Landwirtschaft.

Frauen hatten in der chakassischen Gesellschaft eine wichtige Stellung inne, was sich in vielen Gedichten und Erzählungen von Helden (Epos) widergespiegelt.

Weibliche Krieger waren grosse Helden im Kampf gegen äussere Feinde. Frauen tragen ein „pogho“, ein weibliches Brustornament aus der Kaurischnecke, mit Perlenknöpfen und farbenprächtigen Kügelchen, die in das Leder oder den Stoff genäht wurden.

Die Poghos bilden eine Brücke zwischen den Generationen und wirken gleichzeitig als spirituelles Schutzschild, das die weibliche Fruchtbarkeit schützt und somit Nachkommen gegen äussere Feinde sichert.


Weltanschauung, Zeremonien und Rituale

Sie sehen das Universum in den folgenden drei Welten: eine obere Welt mit Khudai oder Khan Tigîr ("höchste Macht am Himmelsgewölbe") und weiteren Mächten mit übernatürlichen Kräften; eine untere Welt mit Erlik, dem Herrscher der Welt der bösen Mächte; und die mittlere Welt, in der wir leben, zusammen mit Geistern, von denen die Berggeister den grössten Einfluss auf das Schicksal der Menschen ausüben. Man glaubte, von übernatürlichen Mächten abhängig zu sein, denen man sich unterzuordnen hat und Opfer darbringen muss. Dies stellt eine Form einer animistischen Religion (Animismus – magischer Glaube – alle Menschen, Tiere und Dinge in der Natur besitzen eine Seele – Geist, die über verschiedene Bedeutungen und unterschiedliche Charakter verfügen) dar. In den Elementen (Feuer, Wasser, Wind) wohnen Geister, darüber hinaus auch in Felsen, Bäumen, Bergen und an anderen besonderen Orten. Der Glaube an die Natur und mit ihr im Einklang zu stehen sind von grosser Bedeutung, wie dies aus vielen Texten zu erkennen ist. Tiere werden parallel zur menschlichen Gemeinschaft gesehen. Sie können wie Menschen in anderen Welten leben und sogar - vorübergehend oder dauerhaft - ihre Form verändern.
Nach dem Tod verlassen die Seelen den Körper und gehen in die "andere Welt", zu ihren Verwandten, die entweder in den nahestehenden Bergen oder irgendwo im Norden ihren Wohnsitz haben. Seelen, denen ein Übergang nicht gelungen ist, kehren als Böse Geister zurück.

Jahreszyklen wie Frühling, Sommer und Herbst werden mit Zeremonien und Ritualen begleitet. Das Neujahr (chyl pazy) beginnt im März mit der Tagundnachtgleichheit, und damit startet der Frühling. Mit der chyl pazy Zeremonie wird die dunkle, kalte Jahreszeit verabschiedet. Mit Gebeten und bunten Bändern (chalama), die an heilige Birken (pai khazyng) gebunden werden, begrüsst man die kommende warme Jahreszeit und hofft damit, der Wunsch nach einem fruchtbaren Jahr werde in Erfüllung gehen. Im Juni wird die erste Stutenmilch (tun pairam) gefeiert, in Begleitung von Wettbewerben wie Reiten, Ringen, Bogenschiessen und Gesangsvorführungen. Im Herbst feiert man ein Erntedankfest, womit der Natur dafür gedankt wird, ein fruchtbares Jahr geschenkt zu haben. Früher hatte man auch die Rückkehr der Zugvögel im Frühjahr zelebriert. Wie aus gefundenen Texten hervorgeht, schienen wandernde Vögel ein wichtiges Thema für Nomaden in Sibirien und Zentralasien gewesen zu sein. In Mehrjahreszyklen wurden grosse Opferrituale für die Geister des Himmels, des Berges oder des Wassers durchgeführt.
Schamanen oder Spezialisten wurden eingeladen, zwischen Mensch und Geisterwelten zu vermitteln. Der Geist der Natur (eeler) und insbesondere der Geist der Berge (tagh eezî) wurden häufig angerufen, auch in persönlichen täglichen Gebeten, um ihm Respekt zu erweisen und gute Beziehungen zu ihm zu pflegen. Bei gemeinschaftlichen Anlässen mit Anrufung und Gebeten wurden Geister angelockt, und es wurde für Wohlbefinden und um Schutz für Mensch und Tier gebetet. Hilfsgeister (töster) in Tierform dienten Schamanen und Experten. Man hatte sie angerufen, zu kommen und Hilfe leisten, um die Geister zu manipulieren, um drohendes Unheil, Unglück, Krankheit und Katastrophen zu verhindern. Wichtige Rituale wurden von Spezialisten geleitet; entweder von einem Alghyschy oder von Schamanen (kham). Wahrsagen, Heilung und Hexerei wurden ebenfalls von Spezialisten durchgeführt. Eine rituelle Handlung, die heute noch häufig praktiziert wird, ist eine Reinigung mit dem Rauch von brennendem Bergthymian, wobei die Formeln, von einem Experten (alaschy) geleitet, gesprochen werden.

Zeremonielle oder rituelle Poesie wurde entweder gesungen oder mit intonierter Stimme oder mit Kehlkopfstimme vorgetragen. Danksagungen, Segen, Gebete (alghys) führte man zu Anlässen auf, um in Sessions und mit lobenden Worten in schamanistischer Form mit den Hilfsgeistern zu kommunizieren. Dabei wurden diese aufgefordert, zu erscheinen und zu assistieren, um mit deren Hilfe die Mächte zu manipulieren. Die Chakassier kennen keine Loblieder (maktal) wie andere Turkstämme oder die Mongolen, mit welchen Personen, die Heimat, Berge etc. mit wohlgemeinten Texten gelobt werden.

Alghys werden dargeboten, um Schutz für neugeborene Kinder, ein frisch verheiratetes Paar, eine Familie, eine Gemeinschaft und auch für Tiere zu erbitten. Lokale Geister wurden ebenfalls um Hilfe geboten, um Schutz, für eine erfolgreiche Ernte, beim Betreten eines neuen Gebietes, oder vor der Jagd. Heute werden sie auch als lyrische Texte (Dichtungen) in Liederform gesungen. Gebete dienten zur Anrufung mächtiger Geist-Besitzer der Natur, des Himmels, der Berge, des Wasser und der Taiga.
Schamanen und Heiler haben mit Anrufen und Gebeten ihre Hilfsgeister angelockt und sie um Hilfe darum gebeten, bei einer Sitzung zu assistieren. Um Geister anzulocken, verwendeten sie neben Formeln und Gebeten auch Pfeifen, Schreien, Stöhnen, Ausrufe, Tierimitationen, Sprechen von Texten oder gesungene Lieder und oft mit Begleitung durch eine Rahmentrommel.

Relatives of Mirgen Irgit


Lieder

1. Khoor-khoor
Prayer (alghas), Khaas people. After a recording in 1970 from a private collection.
- Altyn Tan Tayas: voice, topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: voice, aghas-khomys
- Albychak Sayn: voice, yykh
- Aycharkh Sayn: voice, (khai in küülîp style), chatkhan
- Lunic Ivanday: voice, (khai in kharygha style), tüür
- Mirgen Irgit: voice, (khai in küülîp style), sang, khongyros
Ein Gebet (alghas), mit dem der Geistbesitzer der Natur (eeler) gerufen wird, um für Wohlstand und Schutz vor Krankheiten für Menschen und Tiere zu sorgen. "Khoor-Khoor" sind magische Worte, die nicht übersetzt werden können.
Kanonische Texte zur Beschwichtigung allerhand Geister (alghas) oder zur Beschwichtigung von Besitzergeistern (eeler) des Himmels, der Berge, des Wassers und der Taiga; diese werden von Alghyschy oder Schamanen während grösserer Gemeinschaftstreffen rezitiert.

Mirgen Irgit's great-grandmother
Anna Sarlina from Arshan aal, Altai aimaghy
in 1987 – with pogho, the ornament
for married women
Ayharkh Sayn, chatkhan
Sitting to the right, in the dark dress
– Anna Sarlina before she got married –
wearing sürmester (small plaits), the female
hairdo before marriage

2. Akh morcho – Kleines Schneeglöckchen
Lyric song (yr), Khaas people, Shira aimaghy. Recorded by Aleksandr Kenel in 1940, the manuscript at the archive of the Khakas Research Institute XAKNIIYALI, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: khobyrakh
- Tülber Pögechi: aghas-khomys
- Albychak Sayn: yykh
- Aycharkh Sayn: khai in küülîp style, chatkhan
- Lunic Ivanday: khongyros
- Mirgen Irgit: voice
- „Das kleine Schneeglöckchen ist eine Freude für unser Auge. / Unsere Älteren betreuen uns und öffnen uns den Weg ins Leben.“
Hoch gehalten werden bei den Chakassiern der Familienzusammenhalt und der Respekt gegenüber den Älteren.


3. Alyp Khan Khys – Die Kriegerprinzessin Alyp Khan Khys
Beginning of heroic epic (alyptygh nymakh), Khyzyl people, as narrated by Sömön (Semyon) Kadyshev, Chookhchyl aal (Troshkino), Shira aimaghy. From a recording at the archive of the Khakas Radio, Abakan.
- Aycharkh Sayn: khai in küülîp style, narration, chatkhan
Chakassische Epen beginnen immer mit der Erzählung von der Schöpfung der Welt: die Entstehung von Land und Wasser; später wird der Held / die Heldin geboren und wächst auf. Weiters werden seine / ihre Abenteuer mit magischen und spirituellen Kräften sowie die Kämpfe gegen die Unterwelt mithilfe wohlgesinnter Geister und Geschöpfe der Oberwelt erzählt. Beim Erzählen werden oftmals Sprichwörter, weise Sätze und Redewendungen oder Rätsel verwendet. Erreicht die Erzählung ihren Höhepunkt, so werden Beschreibungen verwendet, verziert mit Dialogen sowie Liedern und Klageliedern. Spricht man eine höhere Macht an, so werden rituelle Texte zugefügt; so z.B. Anrufe zur Hilfe oder Wünsche in der Form von Poesie, ähnlich Gebeten. Aycharkh Sayn erzählt vom Beginn bis zum Eintritt der Heldin in die Geschichte. Die auf der Chatkhan gespielte Melodie ist typisch für solche Epen.
- “Chirî pasti püderde poldy / chizî tasti tazarda poldy, / chirnîng pözîgî akh taskhyllary / ösklep parghan turypchadadyr. / Sughnyng chalbaghy aghyn sughlar / akh taskhyllardang kharaa-künörte yzylyp-solazyp akhkhlapchadadyr ...”
- „Als die Erde ins Dasein kam, / als Kupfer begann zu laufen, / schneebedeckte Berge / entstanden aus der Erde. / Wasser fing an zu laufen in grossen Flüssen, / plätschernd und tosend Tag und Nacht ...“
Erzählt wird die Entstehung der belebten Welt: die Fische im Wasser, die Bäume und die Taiga mit ihren wilden Tieren und Vögeln, und die Steppe mit ihren Menschen, Siedlungen und Vieh. In dieser Umgebung wird Alyp Khan Khys geboren und wächst heran zu einer edlen Frau mit aussergewöhnlichen magischen Kräften, bestimmt, Probleme mit Feinden zu lösen wie auch gegen übernatürliche Kräfte der Unterwelt zu kämpfen. Nach Jahren der Wanderung kommt Alyp Khan Khys in die Heimat zurück und findet diese von fremden Herrschern unterdrückt. Mit Hilfe übernatürlicher Kräfte kann sie die Heimat siegreich von dieser Last befreien.
Sömön Kadyshev (1885-1977) war einer der letzten legendären Khaijy (Epenerzähler mit Kehlkopfstimme) und hoch angesehen. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden viele seiner Lieder und Erzählungen aufgezeichnet. Er gilt heute als Vorbild für junge Künstler. Seine klar rezitierten Erzählungen, die mit Kehlkopfstimme vorgetragen werden, und Melodien bleiben unerreicht. Khaijy Sömön hat ein umfangreiches Repertoire an Liedern und Geschichten hinterlassen, darunter 31 Epen. Eines seiner Favoriten war "Alyp Khan Khys" (attygh nymakh) über eine Kriegerprinzessin. Sie war eine der unzähligen weiblichen Kriegerheldinnen der Chakassier. Solche Kriegerinnen (Amazonen) werden in Herodots Aufzeichnungen beschrieben. Sömön Kadyshey rezitierte diese Geschichte mit Kehlkopfstimme (im küülîp khai Stil) mit Begleitung der Kastenzither (chatkhan), abwechselnd mit intonierter, erzählender Stimme, begleitet mit Liedern, Klagen und instrumentalen Zwischenspielen.


4. Arbat taigha – Die Taiga von Arbat
Lyric song (yr), Khaas people, as sung by Mirgen Irgit’s great-grandmother Anna Sarlina from Arshan aal (Arshanov), Altai aimaghy. From a 1986 recording at the archive of the Khakas Radio, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: voice, topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: voice, aghas-khomys
- Albychak Sayn: voice, yykh
- Aycharkh Sayn: voice, chatkhan
- Lunic Ivanday: syylas
- Mirgen Irgit: voice
Das Leben ist wie ein Fluss: man nimmt etwas und baut etwas daraus.“ Das Lied spiegelt das menschliche Leben wider, wie dies Mirgen Irgit erklärt.
Anna Karelina, Mirgen Irgits Urgrossmutter (siehe auch Fotos in Vol. I und III) hat dieses Lied bei einem Gesangswettbewerb (aitys) in Askhys, Askhys aimaghy im Jahr 1986 vorgetragen. In dem Lied beschreibt sie das frühere Leben, während der Sowjetzeit, als die Leute aus Arschan aal Holz herausfischten, das langsam auf dem Fluss Abakan in Richtung Hauptstadt dahin trieb. Frauen und Männer gleichermassen zogen mit Haken solches Schwemmholz ans Ufer, trockneten es und verwendeten es für ihren Hausbau.


5. Chymyr khaia – Der Berg „Chymyr Khaia”
Instrumental from Altyn Tan Tayas, clan Tagh Khargha, Saghai people, Chogharkhy Töö (Verkhniaia Teya), Askhys aimaghy, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: khobyrakh
Mit Flöten (khobyrakh oder syylas) und Maultrommel (timîr-khomys) werden Melodien in freier Natur gespielt, wenn man beim Hüten der Tiere auf Weiden oder Almen oder beim Einbringen des Heus eine Pause stattfindet.
Altyn Tan Tayas improvisiert eine Melodie (kög) auf der Flöte und beschreibt die Felsen des Berges „Chymyr khaia“ mit seiner Umgebung. Chymyr khaia ist ein bedeutender Berg in der Taiga über einer abgelegenen Siedlung, wo Altyn Tan Taya geboren wurde.


6. Khoiballar yry – Lied der Khoibalstämme
Game song (oiynda yrlajang yr), Khoibal people, as sung by Yelena Borgoiakova from Khoiballar aaly (Koibaly), Askhys aimaghy. Recorded by Aleksandr Kenel in the 1940s, the manuscript at the archive of the Khakas Research Institute XAKNIIYALI, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: voice
- Tülber Pögechi: voice, aghas-khomys
- Albychak Sayn: voice, (khai in kharygha style), yykh
- Aycharkh Sayn: voice, (khai in küülîp style), chatkhan
- Lunic Ivanday: voice, (khai in kharygha style), tüür
- Mirgen Irgit: voice, khongyros
Jugendliche beiderlei Geschlechts versuchen mit witzigen Dialogen, sich gegenseitig zu übertrumpfen, und alle wollen die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts gewinnen.


Ensemble: Albychak Sayn, Tülber Pögechi, Aycharkh Sayn, Altyn Tan Tayas, Mirgen Irgit and Lunic Ivanday

7. Khymyskha yry – Das Lied einer Ameise
Lyric song by an animal (ang-khustar yry), Saghai people, as sung by Aleksandra Asochakova, Askhys aimaghy. Recorded by Aleksandr Kenel in 1945, the manuscript 167 at the archive of the Khakas Research Institute XAKNIIYALI, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: voice, topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: aghas-khomys
- Albychak Sayn: voice, yykh
- Aycharkh Sayn: voice, chatkhan
- Lunic Ivanday: tüür
- Mirgen Irgit: voice
- „Ameisen leben zusammen in Harmonie und überwinden Schwierigkeiten gemeinsam. Was auch immer passiert, Brüder und Schwestern helfen einander."
Eine Ameise denkt über ihr Wesen nach, das Parallelen zu den Menschen aufweist, wie etwa familiäre Bindungen aufrecht zu halten, Schwierigkeiten gemeinsam zu lösen.
Typische Saghaimelodie, mit kurzen, einfachen Sätzen.


8. Abyrai yry – Lied von Abyrai
Work song (yr), Saghai people, as sung by a man called Abyrai. From a 1970 recording at the archive of the Khakas Radio, Abakan.
- Albychak Sayn: voice, yykh
Der Schäfer Abyrai hütete seine Schafe in der Steppe, wo im Sommer 1970 ein Gesangswettbewerb (aitys) stattfand. Er tritt auf die Bühne und singt ein Herdenlied, das normalerweise für seine Tiere bestimmt ist. Er singt das Lied, als ob er auf dem Berg steht, und es für seine Tiere singt. Über den Schäfer selbst ist nichts weiter bekannt.


9. Töö köglerî – Melodien vom Fluss Töö
Instrumental based on chatkhan (chatkhan oiyny), Saghai people, as played by Mikhail Kilchichakov from Chogharkhy Töö (Verkhniaia Teya), Askhys aimaghy / Abakan. From a recording at the archive of the Khakas Radio, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: khobyrakh
- Tülber Pögechi: aghas-khomys
- Albychak Sayn: yykh
- Aycharkh Sayn: chatkhan
- Lunic Ivanday: timîr-khomys
- Mirgen Irgit: khazykhtar
Dichter und Dramatiker Michail Kilchichakov (1919-1990) schuf seine Improvisationen auf der Kastenzither (chatkhan) auf Melodien im Stil der Saghai, die am Fluss Töö siedeln. Dies ist ein Instrumentalstück aus seiner Sammlung.


10. Aba syydy – Klage eines jungen Bären
Lament by an animal (ang-khustar syydy), Khaas people, as sung by Para Sapsaraeva from Chookhchyl aal (Troshkino), Shira aimaghy. Recorded by Aleksandr Kenel in the 1940s, manuscript at the archive of the Khakas Research Institute XAKNIIYALI, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: aghas-khomys
- Albychak Sayn: yykh
- Aycharkh Sayn: khai in küülîp and kharygha styles, chatkhan
- Lunic Ivanday: tüür
- Mirgen Irgit: khazykhtar
Ein junger Bär sehnt sich nach Hause, nach der Taiga. Er fiel in die Hände böser Menschen und erleidet Schreckliches. Er beklagt den Verlust seiner Freiheit und die Tatsache, dass er unter Menschen leben muss, während seine Brüder und Schwestern sicher und glücklich in der Taiga leben. Die Klage spiegelt eine repressive Macht wider, der die Chakassier mehrmals ausgesetzt waren.


11. Kenei ool yry – Das Lied von Kenei ool
Lyric song (yr), Khyzyl people, as sung by the father of former ensemble member Ira Akhpasheva, Khaas variant of a Khyzyl song, Shira aimaghy, transmitted orally.
- Altyn Tan Tayas: topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: aghas-khomys
- Albychak Sayn: yykh
- Aycharkh Sayn: khai in küülîp and kharygha styles, yykh
- Lunic Ivanday: voice, (khai in kharygha style), tüür
- Mirgen Irgit: voice, khai in küülîp style, khongyros
Der Sänger Kenei ool reiste von Siedlung zu Siedlung und war ein hoch angesehener Gast. Er wurde eingeladen, besonders zu Hochzeiten, denn er hatte immer Texte zur Hand. Beschenkt wurde er reichlich, mit einer Kuh oder einem Pferd.
Da Kenei ool nie betrunken war, wenn er auch viel trank, hatte er die Gewohnheit, um mehr Alkohol zu bitten, damit seine guten Wünsche unerschöpflich bleiben und man ihn dafür grosszügig belohnt.


12. Chylygh künnerîm – Die süssen Tage meiner Jugend
Lyric song (yr). Recorded by Aleksandr Kenel in 1940s, the manuscript at the archive of the Khakas Research Institute XAKNIIYALI, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: voice, topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: aghas-khomys
- Albychak Sayn: khai in kharygha style, yykh
- Aycharkh Sayn: khai in küülîp and kharygha styles, chatkhan
- Lunic Ivanday: khai in kharygha style, syylas
- Mirgen Irgit: khai in küülîp style, khongyros
- „Wenn du hoch fliegst, Lerche, / habe nie Angst, deine Stimme zu nutzen und immerfort zu singen. / Mögen die verschiedenen Strassen meines Lebens / wie ein Wegweiser für zukünftige Generationen sein. / Wenn du schnell fliegst, Habicht, / verliere nie deine Geschwindigkeit. / Mögen die schwierigen Routen, die ich geschlagen habe, / bleiben als Wegweiser für unsere Kinder.“
In diesem lyrischen Lied mit den Eigenschaften eines alghys (zeremonielle Glückwunschpoesie) singt eine Frau über ihre glückliche Jugendzeit, die in bester Erinnerung geblieben ist. Sie wünscht sich, ihre Erfahrungen an ihre Nachkommen weiterzugeben.


13. Chazy köglerî Melodien der Steppe
Instrumental from Lunic Ivanday, clan Tilîn, Saghai people, Baza Pii (Beiska), Askhys aimaghy, Abakan.
- Lunic Ivanday: syylas
Lunic Ivanday imitiert auf der Flöte (syylas) den Wind, der über die Steppe mit ihren sanften Hügeln und weiten Tälern weht.
Mit Flöten (khobyrakh oder syylas) und Maultrommel (timîr-khomys) werden Melodien (kögler) in freier Natur gespielt, wenn man während dem Hüten der Tiere auf Weiden oder Almen oder dem Einbringen der Ernte Zeit dafür findet. Dabei werden die Geräusche und Töne der umgebenden Natur imitiert.


14. Attar oilatchang chazylarda – In der Steppe, wo die Pferde galoppieren
Lyric song (yr), Khyzyl people, Khyzyllar aimaghy, transmitted orally.
- Altyn Tan Tayas: voice, topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: aghas-khomys
- Albychak Sayn: yykh
- Aycharkh Sayn: khai in küülîp and syghyrtyp styles, yykh
- Lunic Ivanday: khai in kharygha style, tüür
- Mirgen Irgit: voice
- „So frei wie unserer Menschen früher lebten, sollten wir versuchen, auch zu leben.“
Dieses Lied erzählt aus früheren Zeiten, vom Nomadenleben, dem Umherziehen mit den Herden in den schönen Steppen und dem freien Leben in der Natur.
Lange Melodien mit lyrischen Texten, typisch für die Khyzylstämme.

Altyn Tan Tayas - topchyl-khomys
Tülber Pögechi - aghas-khomys
Albychak Sayn - yykh

15. Oidang oigha – Von Berg zu Berg
Lyric song (saryn), Saghai people, as sung by Yevdokia Tygdymaeva (1931-2006) from Oot aaly (Oty), Askhys aimaghy. From a recording from a private collection.
- Lunic Ivanday: pyrghy
- Altyn Tan Tayas: voice, topchyl-khomys
- Albychak Sayn: yykh
- Aycharkh Sayn: chatkhan
Eine Frau erinnert sich an ihre Jugend, als sie attraktiv war und viele junge Männer ablehnte.
- „Oidang oigha oilaza / uiazy ilbek torimnîng. / Ongdaili kilîp chookhtaskhanda / oralbadakh arghyzym
- „Wie eine rollende Landschaft / ist der breite Rücken meines Pferdes. / Wir wollen freundschaftlich reden, / so berühre mich nicht, mein Freund! / Bitte nicht auf meine Fersen treten! / Wird nicht jeder es sehen? / Nicht auf den hinteren Saum meines Mantels treten! / Wird nicht jeder es sehen?“
Das Lied besitzt eine für die Saghaistämme, die entlang des Flusses Töö leben, typische Melodie mit einem kleinen Umfang und kurzen, geraden Sätzen; es ist ganz praktisch, darauf neue Texte für iakhpakh (improvisiertes Lied) zu improvisieren.


16. Khys pala köngnî – Die Sehnsucht eines Mädchens
Lyric song (yr), Khaas people, as sung by Pelaga Aioshina from Chookhchyl aal (Troshkino), Shira aimaghy. Recorded by Aleksandr Kenel in 1946, published in his song collection “Khakas chonynyng köglerî” (Abakan, 1955).
– Tülber Pögechi: voice, aghas-khomys
Ein Lied über ein Mädchen, das heiraten will, aber von den Jungen vernachlässigt wird. Sie gibt in diesem Lied den Jungen Anweisungen in der Hoffnung, „gefunden“ zu werden: Wie man sie fangen kann, wenn sie in der Steppe verweilt, und wo man sie finden kann, wenn sie zu Hause im Dorf ist.


17. Püür syydy – Klage eines Wolfes
Lament by an animal (ang-khustar syydy), as sung by Para Sapsaraeva from Chookhchyl aal (Troshkino), Shira aimaghy. Recorded by Aleksandr Kenel in 1940, the manuscript at the archive of the Khakas Research Institute XAKNIIYALI, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: aghas-khomys
- Albychak Sayn: yykh
- Aycharkh Sayn: voice
- Lunic Ivanday: khai in kharygha style, tüür
- Mirgen Irgit: khobyrakh
Der Wolf beklagt sich, dass er immer für schuldig gehalten wird.
- „Immer wenn Vieh verloren geht, / sagen Menschen, wir haben es geholt. / Aber wenn man genauer hinsieht / stellt sich heraus, dass sie das Verbrechen selbst begangen haben.“

Lunic Ivanday - syylas
Lunic Ivanday - pyrghy
Mirgen Irgit - sheep knucklebones

18. Yrys – Good fortune
Lyric song (yr), Khyzyl people, as sung by Mikhail Kadyshev from Chookhchyl aal (Troshkino), Shira aimaghy. Recorded by Aleksandr Kenel in 1940, the manuscript at the archive of the Khakas Research Institute XAKNIIYALI, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: aghas-khomys
- Albychak Sayn: khai in kharygha style, yykh
- Aycharkh Sayn: khai in küülîp style, chatkhan
- Lunic Ivanday: khai in kharygha style, tüür
- Mirgen Irgit: voice
- „Ich dachte, ich ritt ein Pferd / aber es stellte sich heraus, das war eine Kuh. / Ich dachte, ich war aus mit einem netten Mädchen / aber sie erwies sich als eine Frau mit zwei Zöpfen. / Sie war eine Khuu Khat*, eine hässliche, bereits tragene Hündin!“
*Khuu Khat ist eine mythologische Frauenfigur: eine hässliche, vertrocknete Frau mit Brüsten, die am Boden dahin schleifen.
Ein junger Mann singt in humorvoller Art über sein Unglück beim Werben. Er war mit einem Mädchen seit mehr als einem Jahr zusammen. Als seine Verwandten in die Siedlung kamen, um das Mädchen für die Hochzeit vorzubereiten, es findet eine „Haarzeremonie" statt, ein wichtiger Prozess zur Hochzeit. Dem Mädchen, das noch Jungfrau ist, werden die vielen kleinen Zöpfe (sürmester) zu zwei festen Zöpfen geflochten. Das Mädchen wird nun zur Frau. Stellte sich heraus, dass sie bereits verheiratet war und schon drei Kinder hatte.
Der betrogene Mann kauft sich Alkohol und fährt mit seinen Freunden in die Steppe zu einer Trinkparty und beginnt zu singen.


19. Taigha ünnerî – Melodien aus der Taiga
Instrumental from Lunic Ivanday, clan Tilîn, Saghai people, Baza Pii (Beiska), Askhys aimaghy, Abakan.
- Lunic Ivanday: timîr-khomys
Lunic Ivanday erinnert sich an die Geräusche und Klänge in der Taiga, die er mit Improvisationen auf der Maultrommel (timîr-khomys) wiedergibt.
Auf Maultrommeln (timîr-khomys) und Flöten (khobyrakh oder syylas) werden Melodien improvisiert, die in Pausen, während man das Vieh weidet oder Heu erntet, gespielt werden. Menschen haben Zeit, kurze Melodien zu improvisieren, in welche naturnahe Klänge eingebunden werden..


20. Pora adym – Mein graues Pferd
Lyric song (saryn) from Aycharkh Sayn, clan Choon Sayn, Saghai people, Sapron aaly (Safronov), Askhys aimaghy, Abakan.
- Aycharkh Sayn: khai in küülîp and kharygha styles, aghas-khomys
Eine Lied über das graue Pferd (pora at), ein heiliges Tier des Choon Sayn Clans (söök), zu dem Aycharkh Sayn gehört. Auf der Laute vorgetragen mit melodischer Kehlkopfstimme* (khai in küülîp und kharygha Stil).
*Im melodischen khai wird der Grundton nicht auf einer Tonhöhe gesungen, wie dies normalerweise im traditionellen khai der Fall ist, sondern er wird vielmehr auf verschiedenen Tonhöhen gesungen, wodurch eine Melodie aus Grundtönen entstehen kann.


21. Aghyn khustar – Zugvögel
Lyric song (saryn) from Altyn Tan Tayas, clan Tagh Khargha, Saghai people, Chogharkhy Töö (Verkhniaia Teya), Askhys aimaghy, Abakan.
- Altyn Tan Tayas: voice, topchyl-khomys
- Tülber Pögechi: voice, aghas-khomys
- Albychak Sayn: yykh
- Aycharkh Sayn: khai in küülîp, kharygha and syghyrtyp styles, yykh
- Lunic Ivanday: khai in kharygha style, tüür
- Mirgen Irgit: khongyros
Die Sängerin Khyrghai Sagalakova von Ulugh Nonyp (Bol'shoy Monok), Pii aimaghy, erzählt Altyn Tan Tayas und Akhcharkh Sayn im Jahr 2000 über eine alte Tradition von Liedern über wandernde Vögel (Zugvögel). Man hat solche Lieder gesungen, wenn die Vögel im Herbst weggeflogen und im Frühjahr zurückgekommen sind. In einem Klima mit solchen langen kalten Jahreszeiten nehmen Zugvögel eine wichtige Stellung ein (siehe auch Vol. III, Lied Nr. 13 Khangyra khangyr). Doch die Sängerin kann sich weder an Texte noch Melodien erinnern. Nun hat Altyn Tan Tayas passende traditionelle Poesie zu diesem Thema gesucht und in traditioneller Weise Musik dafür kreiert, um damit zum Thema Zugvögel ein Ereignis lebendig zu halten.

Ensemble: Aycharkh Sayn, Altyn Tan Tayas, Lunic Ivanday, Mirgen Irgit, Tülber Pögechi and Albychak Sayn

Traditionelles Repertoire

Die Chakassier besitzen eine reichhaltige Tradition im Geschichtenerzählen in der Form von Poesie und Prosa, Sprichwörtern, Redewendungen, Phrasen, Rätseln, Liedern mit fixen oder improvisierten Texten, Totenliedern und Klagen, Hochzeitsliedern, Wiegenliedern, Arbeitsliedern und Wortspielen. Dabei haben die Texte gegenüber der Melodie immer Vorrang. Diese Formen stellten Mittel dar, um in einer überzeugenden Weise in erzählender oder gesungener Form Geschichten zu vermitteln. Die Poesie hat die Macht, Zuhörer zu verzaubern, und sie wurde nach festen Regeln vorgetragen. Inhaltlich gesehen ist die gesungene Poesie aufgebaut auf Beobachtungen zu Parallelen zwischen der menschlichen Erfahrung und der natürlichen Umgebung.

Die Chakassier kennen wie die Mongolen in Strophenform, ohne eigentlichen Refrain gesungene Lieder. Die Mongolen tragen solche mit voller Stimme und in höchster Tonlage vor, nicht aber die Chakassier. Die Melodie ist bei den Mongolen von einem "Mantel" umgeben; man singt mehr als drei Oktaven. Die chakassischen Melodien sind meistens eher beschränkt: sie umfassen oftmals nur eine Oktave, die der Saghaier sind sogar oft nur auf eine Quinte beschränkt. Diese Lieder unterliegen immer strengen Vortragsregeln. Es sind Vierzeiler, und der Anfang der Zeilen wird jeweils durch den gleichen Buchstaben des ersten Wortes bestimmt. Bei den Mongolen werden Texte von anderen Sängern übernommen, und es werden neue Improvisationen hinzugefügt: dadurch entstehen lange Geschichten (Lieder). Bei den Chakassiern ist ein Lied immer eine individuelle Improvisation. Die Mongolen singen lange Lieder vor allem, wenn sie in der offenen Steppe allein sind und langsam voranreiten. Das Repertoire ist Ausdruck für die Freiheit und die Weite der mongolischen Steppen und begleitet auch zyklische Riten des Jahres und Zeremonien des alltäglichen Lebens. Lange Lieder sind auch ein wesentlicher Bestandteil bei Festen in Rundzelten. Bei den Chakassiern existieren solche Lieder nicht, es ist auch verboten, in der offenen Steppe oder Taiga zu singen, weil dies Böse Mächte anlocken könnte. Sie machen auch keinen Unterschied zwischen langem oder kurzem Lied. Zu Riten werden alghys (Gebete, Segen, Danksagungen) und in Versammlungen alghys und takhparkh (Improvisationen) vorgetragen.
Solch schöperischer Reichtum vermittelt ihnen eine übernatürliche Quelle, die sie in Träumen vermittelt erhalten. Geschenke werden innerhalb der Linie (Familie) individuell und aufgrund ihrer Vorfahren weitergegeben. Männer und Frauen bekommen Unterstützung von spitiruellen Kräften, die unabhängig von ihnen sind, aber sie sind mitverantwortlich für mit Kehlkopfgesang vorgetragene Geschichten. Sie schützen und unterstützen „Kaichi“, Geschichtenerzähler von Epen und Sänger mit improvisierten Liedern.

In der chakassischen Gesellschaft wird solch schöpferischer Reichtum durch eine übernatürliche Quelle vermittelt, sie erhalten diesen in ihren Träumen. Solche Gaben werden nicht nur innerhalb der Linie (Familie) weitergegeben, sondern können auch einzelnen zugesprochen werden. Dank der Geschenke von Besitzgeistern sind Mann oder Frau mit Begabungen ausgestattet. Begabte Geschichtenerzähler von Epen (nymakh) sowie Sänger mit improvisierten Liedern (takhpakh) werden bei Auftritten von Besitzgeistern nymakh, khai oder zakhpakh unterstützt. Die Künstler erhalten ihre Aufforderungen und ihre Inspiration in ihren Träumen und werden während ihrer Darbietung inspiriert und unterstützt.

In spontanen Treffen oder organisierten Zusammenkünften werden Lieder aufgeführt, vor allem bei festlichen Familientreffen oder Gesangswettbewerben. Akteuren war es erlaubt, Tag und Nacht zu singen, aber nur im und rund ums Haus im Dorfe. Die Chakassier haben daher, im Gegensatz zu den Tuwinern, Altaiern und Mongolen, keine Lieder gesungen, wenn sie unterwegs waren oder mit dem Pferd über die Steppen ritten. Das Singen in Steppe, Taiga und Bergen ist verboten, weil dadurch Böse Geister angezogen werden. Lieder wurden von Männern und Frauen gleichermassen aufgeführt, ausgenommen die Lieder, die mit geschlechtsspezifischen Tätigkeiten verbunden sind, wie Wiegenlieder und Arbeitslieder. Allgemein wurden Lieder ohne Kehlkopfstimme von Frauen vorgetragen, während epische Erzählungen mit Kehlkopfstimme Männern vorbehalten blieben.

Anna Sarlina and Kuprian Sarlin with their 3rd and youngest child

Einige Lieder waren für besondere Anlässe wie Familienfeiern und Zeremonien zu Jahreszyklen bestimmt. Man hat zur Begrüssung oder zum Abschied einen Segen gesprochen. Liebeslieder, Werben um die Braut oder den Bräutigam sowie die Bestätigung der Verhandlungen für die Hochzeit und Mitgift bildeten ein beachtliches Repertoire. Im Zusammenhang mit dem Tod, der Totenwache, gibt es verschiedene Arten von Klageliedern (syyt): Rituelle Klagelieder werden im ersten Jahr nach dem Tod vorgetragen. Vor und während der Beerdigung: sogenannte söök syydy "Klage über der Leiche", und nach der Beerdigung: ibîrîg syydy "Klage während der Totenwache", zur Begleitung der Seelen der Verstorbenen in die andere Welt. Nicht-rituelle Klagelieder werden später zu Hause aufgeführt, um dadurch den Verstorbenen zu gedenken.

Die Gruppe von Liedern, die nicht an bestimmte Anlässe gebunden waren, umfasst sowohl improvisierte (takhpakh) wie auch feststehende Lieder (saryn/yr). Texte können solo von Interpreten frei improvisiert und oft mit einem Saiteninstrument begleitet werden. Takhpakh sind spontan improvisierte Texte und beschreiben die Natur, die Heimat, ein Zusammentreffen oder erzählen von einem anderen Sänger. Solche Texte werden oft bei Gesangswettbewerben, die als aitys bezeichnet werden, aufgeführt. Dabei duellieren sich im Wettbewerb zwei Sänger abwechselnd mit improvisierten Versen zu begrenzten Melodien und versuchen, sich gegenseitig an Originalität und Witz zu übertreffen. Solche Sänger geniessen Unterstützung durch ihren Besitzgeist, sie erhalten die Fähigkeit, solch inspirierte Texte vorzutragen. Feststehende Lieder werden von den Khaas, Khyzyl und Khoibal als „yr“ bezeichnet, und von den Saghai und Piltîr als „saryn“, und sie besitzen mehrere Verse, sind auf ein Thema ausgerichtet und werden oft mit aufwändigen Melodien begleitet. Die meisten solcher Lieder sind lyrische Lieder, in welche die Interpreten eigene Gedanken und Gefühle über Leben und Ereignisse im Alltag oder aus der Vergangenheit einfliessen lassen; einige handeln von ihrer Arbeit. Es sind gesellige Spiele bei Zusammenkünften oder Klagelieder.

Im Repertoire gibt es eine kleine Gruppe von Klageliedern oder Klagen in poetischer Form (syyt), die als lyrische Lieder bezeichnet werden. Totenlieder sind rituelle Lieder; Klagen mit improvisierten Texten werden von einem Sänger vorgetragen und handeln vom Verstorbenen und dessen Hinterbliebenen. Persönliche Klagen können von einem anderen Sänger übernommen werden und fliessen nach und nach ins gemeinsame Liederrepertoire.
Andere poetische Klagelieder stammen aus Epen oder Geschichten (kip-chookh) und bilden die älteste Form der chakassischen Folklore. Klagen über Unglück, Elend oder Unterdrückung werden oft auch als „yr“ (Lied) bezeichnet. Darunter findet man Klagen von Tieren oder Menschen, die sich in Tiere verwandelt haben, und nun von harten Lebensbedingungen oder unfairer Behandlung erzählen. Dabei werden Parallelen zu Unterdrückung und dem Vassallendasein des Volkes aufgezeigt.

Epische Geschichten, „Geschichte mit einem Helden“, sind ihre bedeutendste Tradition, die von ausgewählten Spezialisten bei Versammlungen während langer Winternächte rezitiert werden - ebenfalls zur Begleitung von Seelen in andere Welten, oder vor einer Jagd, um den Besitzgeist der Tiere zu bitten, ein Wildtier erlegen zu dürfen. Erzählungen mit Kehlkopfstimme in Begleitung der Kastenzither oder einer Laute waren männlichen Interpreten vorbehalten und wurden "Geschichte mit einem Pferd" genannt. Unbegleitete Erzählungen, die mit intonierte Stimme aufgeführt [oder rezitiert] werden, nennt man "Geschichte zu Fuss"; diese durften auch von Frauen vorgetragen werden. Eine „Geschichte mit einem Pferd" begann mit einem instrumentalen Vorspiel, danach wird die Geschichte in abwechselnder Form mit Kehlkopfstimme und mit wiederholtem Text mit temporären Verschiebungen zu einem höheren oder tieferen Ton und mit unbegleiteten intonierten Reden erzählt. Die Obertöne des Kehlkopfgesangs schaffen eine aussergewöhnliche Stimmung, die anschaulich ein übernatürliches Zeit-Raum-Gefühl entstehen lässt, in welchem eine epische Welt zum Leben erweckt wird. Ab und zu wird die Geschichte mit einem instrumentalen Zwischenspiel unterbrochen oder mit einem Segen und lobpreisenden Worten, Liedern und Klagen unterlegt.
Die talentiertesten Geschichtenerzähler werden durch Inspiration ihrer Besitzgeister unterstützt und eelîg khaijy (Kaichi) genannt. Sie könnten endlos ihre langen Erzählungen oder Geschichten, die mehrere Nächte in Folge dauern, vortragen und nur mit kurzen Pausen unterbrochen werden. Die Tradition der Geschichtenerzähler wurde von Interpreten der Khyzylstämme ununterbrochen bis in die 70er Jahren fortgesetzt. Unter den letzten Grossen waren Semyon Kadyshev (1885-1977), der bei den Khaasstämmen in der Nähe des Lake Shira lebte. Die Geschwister Pjotr Kurbizhekov (1910-1966) und Anna Kurbizhekova (1930-1990) lebten am Fluss Üüs.

Erzählungen in Prosa, genannt „kip-chookh“, die gleichermassen von Frauen und Männern erzählt werden, umfassen heilige Mythen, über die Entstehung der Welt, über Schöpfer, Besitzgeister und andere übernatürliche Mächte; Geschichten und Legenden über historische Helden, Schamanen, Vorfahren der Stämme; sowie humorvolle Geschichten und Märchen. Die umfangreichsten kip-chookh Geschichten (wie auch alyptygh nymakh, „Geschichten mit einem Pferd“) enthalten Lieder, Totenlieder und Klagen.

Geschichten und Gesang werden von Saiteninstrumenten begleitet. Damit wurden auch die Gangart eines Pferdes imitiert oder Abenteuer der Helden hervorgehoben. Jäger verwendeten verschiedene Blasinstrumente, um ihre Tiere mit Tierlauten anzulocken. Flöten, Saiteninstrumente oder die Maultrommel hat man mehrheitlich in der Freizeit zur Unterhaltung eingesetzt. Man improvisierte zu bekannten Melodien oder kreierte spontan eigene Melodien, die von Umgebungsgeräuschen inspiriert waren.
Solch schöpferischen Reichtum vermittelt ihnen eine übernatürliche Quelle, er wird in den Träumen vermittelt. Solche Gaben werden innerhalb der Linie (Familie) individuell und aufgrund ihrer Vorfahren weitergegeben. Männer und Frauen bekommen Unterstützung von spirituellen Kräften, die unabhängig von ihnen sind, aber sie sind mitverantwortlich für mit Kehlkopfgesang vorgetragene Geschichten. Sie schützen und unterstützen „Kaichi“, Geschichtenerzähler von Epen und Sänger mit improvisierten Liedern.


Traditionelle Stimmtechnik

- Khai (Kehlkopfgesang)
Khai (oder Kai, wie es von den Altaiern und Schoren genannt wird) ist eine traditionelle Form des Obertongesanges aus der nordwestlichen Saian-Altai-Region, wobei nur die tiefsten und höchsten Stimmlagen verwendet werden. Diese Kunst war vorwiegend eine männliche Gesangstechnik, obwohl auch Frauen dafür bekannt sind. Sie ist untrennbar mit heroischen Geschichten, Geschichten mit einem Helden/in verknüpft, geniesst hohes Ansehen und stellt einen wichtigen Teil des kulturellen Erbes dar.

Kehlkopfgesang oder Obertongesang ist allen südlichen sibirischen Turkvölker gemein, dabei vielen mongolischen und auch einigen kasachischen Stämmen, und dieser Gesang ist auch von vielen Turk-Stämmen in Mittelasien zu hören.
Der Obertongesang ist eine spezielle Technik, bei welcher ein einzelner Sänger gleichzeitig zwei verschiedene Töne erzeugt. In seiner reinsten Form (Tuwa und Mongolei) ist ein Ton ein tiefer, nachhaltiger Grundton (eine Art Bordun), und der zweite Ton ist eine Reihe von flötenähnlichen Harmonien, die hoch über diesem Bordun mitschwingen. Wahrer Meister können Obertöne lauter klingen lassen als den Grundton, so dass der Bordun nicht mehr hörbar ist. Eine andere Technik, die oftmals verwendet wird, kombiniert einen normalen glottalen Ton mit der niederfrequenten pulsähnlichen Schwingung oder Vibration, die als Unterton bekannt ist. Texte werden für gewöhnlich in einer solchen Unterton-Stimmlage von etwa 25-20 Hz gesungen. Schoren oder Chakassier singen ihre Texte nicht in einer solchen Unterton-Stimmlage, sie benützen kharygha.

Im Gegensatz zu den Tuwinern und Mongolen lassen die weiter nördlich gelegen Chakassier, Altaier und Schoren die Obertöne beim Kehlkopfgesang nicht so stark hervortreten. Kehlkopfgesang besteht darin, dass ein Grundton erzeugt wird, während das Zwerchfell zusammengedrückt und die Stimmbänder zusammengekniffen werden. Auf diese Weise entsteht ein rauer Ton, der von den weichen Obertönen begleitet wird, die sich mit den Lauten des rezitierten Textes ändern: dadurch wird schliesslich ein vielschichtiger Ton erzeugt, der über dem Grundbordun schwebt. In erster Linie werden Geschichten zusammen mit einem Saiteninstrument aufgeführt. Aber in der chakassischen Tradition werden die Obertöne nur selten zur Erzeugung einer Melodie verwendet. Khai wird nicht eingesetzt, um Virtuosität darzustellen, sondern vielmehr um Texte in einer überzeugenden Weise zu vermitteln; aus diesem Grund wird dies nur selten unabhängig dargeboten. Durch die Khaitechnik der Geschichtenerzähler wird eindeutig der Text hervorgehoben, während gleichzeitig Obertöne subtil über dem Text mitschwingen. Obertöne helfen dabei, den Text der Geschichte zu verstärken, wobei ein aussergewöhnlicher Klang über dem Text geschaffen wird, der ein übernatürliches Zeit-Raum-Verständnis bewirkt, in dem die epische Welt und die Geschichte zum Leben erweckt werden.

- Kharygha
, kharghyra (abgeleitet von khorlirgha, für Schnarchen) oder ulugh chon khai (Khai der angesehenen Ältesten) ist der tiefste Ton, den eine menschliche Stimme erzeugen kann. Dieser ist verwandt mit dem karkyra der Altaier und dem kargyraa der Tuwiner. Dieser Ton muss aus dem tiefsten Teil der Luftröhre aufsteigen und im Brustkorb mitschwingen. Er wird für kurze Episoden in Heldengeschichten verwendet.

- Küülîp oder küveler bedeutet "summen" und klingt eine Oktave höher als kharygha. Es ist mit dem khöömei der Tuwiner, dem köömöi der Altaier und mit dem khöömij der Mongolen verwandt. Man konzentriert sich aber weniger darauf, einen ausmachbaren Oberton zu erzeugen. Dies ist der Hauptstil für das Geschichtenerzählen. Oftmals lautet die Bezeichnung dafür schlicht "khai", weil es der einzige Stil ist, der die Sowjetzeit überlebt hat.

- Syghyrtyp heisst soviel wie "pfeifen" und ist ein Obertongesangsstil, bei dem aus der Kehle Töne kommen, die mit dem Pfeifen des Windes vergleichbar sind. Obertöne werden zwischen der Mundhöhle, dem Rachen und der Zunge erzeugt. Dieser Stil ist mit dem „sygyt“ der Altaier und Tuwiner verwandt. Dabei handelt es sich um einen Stil, bei dem man die höchsten und hellsten Töne erklingen lässt, weil die höchsten Stimmlagen verwendet werden. (In der Natur hat jeder Ton Obertöne, selbst das Pfeifen des Windes hat seine Oberschwingungen). Pfeifen wird eher sparsam eingesetzt; nur bei kurzen Melodien am Schluss der Sätze, nach einem Summen (küülîp), wird ein Pfeifen kreiert.
In den älteren Darstellungsformen wurde meist nur das Summen (küülîp) für Geschichten und Lieder verwendet. Heute wird die Kehlkopfstimme (khai) vor allem für Lieder und in geringem Masse für Gebete eingesetzt. Kharghyra und syghyrtyp werden hier gleichermassen wie küülîp gebraucht.



Instrumente:
aghas-khomys

- Khomys (Saiteninstrument)

Dabei handelt es sich um eine zwei- oder dreisaitige Laute, die mit der altaiischen topshur, der doshpulur der Tuwa und der mongolischen tovshuur verwandt ist.

Die Chakassen spielen zwei verschiedene Arten der khomys: die aghas-khomys und die topchyl-khomys.
Beide haben einen Körper und Hals, die aus Zedernholz geschnitzt sind, aber während erstere einen Resonanzboden aus Zedernholz hat, ist der Körper der letzteren mit der Haut von Rehwild, Hausziegen oder Rindern bedeckt. Die traditionellen Saiten bestehen aus verdrehtem Pferdehaar, und die einzelnen Saiten sind in Quarten oder Quinten gestimmt; die dreisaitige khomys ist in einer Quarte plus einer Quinte gestimmt.



topchyl-khomys

- Yykh (Saiteninstrument)

Dabei handelt es sich um eine zweisaitige Fiedel der Chakassen, die mit der altaiischen ikili, der igil der Tuwa und der mongolischen ikil verwandt ist.

Ihr Körper ist dem der khomys ähnlich, verfügt aber über einen längeren Hals. Der Körper ist wie jener der topchyl-khomys mit der Haut von Rehwild, Hausziege oder Kalb bedeckt. Die Saiten sind aus verdrehtem Pferdehaar gefertigt und in einer Quart oder Quint gestimmt. Sie wird mit einem Bogen aus Weidenholz mit Pferdehaarsaiten gespielt und ist von Lärchen oder Zedernholzharz umgeben.









- Chatkhan or chadyghan (Saiteninstrument)

Gezupfte Kastentzither der Chakassen mit sechs bis vierzehn Saiten, weit verwandt mit der chadagan der Tuwa, der mongolischen yatga, der japanischen koto, der chinesischen quin und der koreanischen kayagum.

Die chakassische Zither ist ein 1,5 m langer Kasten aus Fichtenholz, wobei jede Metallsaite über einen eigenen beweglichen Steg aus Schafsknochen läuft. Ursprünglich bestand sie wahrscheinlich aus einem kurzen Körper (etwa 50 cm lang), der von unten wie eine umgedrehte Wanne ausgehöhlt wurde, mit Saiten aus Pferdeschwanzhaaren.
Im 18. Jahrhundert besass dieses Instrument aber bereits seine gegenwärtige Form: ein langer Kasten aus genagelten Brettern mit 6 oder 7 Metallsaiten. Diese Zither hat einen ziemlich weichen Klang, was sie zu einem idealen Instrument für kleine Zusammentreffen macht. Die chatkhan ist pentatonisch gestimmt, wobei eine oder zwei Saiten eine Quint oder eine Oktave unter der tiefsten Melodiesaite gestimmt sind, um dadurch den Bordun zu erhalten. Die Saiten werden rechts der beweglichen Stege mit der rechten Hand gezupft, um sowohl Melodie als auch Bordun zu erzeugen. Die linke Hand wird dazu verwendet, bestimmte Saiten links des beweglichen Stegs niederzudrücken. Auf diese Weise können diatonische Melodien gespielt werden, ebenso wie die schmückenden Gleittöne und Vibrati, die für dieses Instrument so typisch sind.

Anders als die langen Zithern (yatga) ihrer südöstlichen Nachbaren, der Mongolen, die die Langzither hauptsächlich am Königshof und in Klöstern verwendeten, da die Saiten die zwölf Ebenen der Palasthierarchie symbolisierten, wurde die chatkhan zur Begleitung lyrischer, historischer und epischer Lieder und Heldengeschichten in privaten Zusammenkünften der gemeinen Leute verwendet, insbesondere dabei bei Hochzeiten und nächtlichen Totenwachen.

Die chatkhan kann (wie die chakassischen Lauten) Heim eines Geistes sein, und somit ist die Benutzung und das Spiel an Tabus und Rituale gebunden.





- Khobyrakh or Shoor (Windinstrument)

Früher war es eine offene, am Ende geblasene Flöte, ähnlich jener, die von Bashkiren und Kaukasiern verwendet wird. Es handelte sich um ein 30 bis 80 cm langes, glattes Hohlrohr ohne Grifflöcher, das aus dem Stiel eines grossen Doldengewächses oder einer Weidenpflanze gefertigt ist. Der chakassische Stamm der Kachin benannte dieses Instrument “khobyrakh” (lit. “Bärenklau”, eine Art Doldengewächs), während die Stämme der Saghai und Shor es als “shoor” bezeichneten (wie die Altaier).

Heutzutage besitzt es einen kleinen Block mit oben einem Schlitz und ist aus Furnierholz (Esche, Mahagoni oder andere Arten) oder Kunststoff hergestellt.


chervil

- Syylas (Windinstrument)

Eine offene, am Ende geblasene Flöte, die von den Bashkiren und den Kaukasieren verwendet wird. Es handelt sich um ein langes, glattes, hohles Rohr (etwa 50-70 cm lang) mit vier Grifflöchern an der Vorder- und einem an der Rückseite. Sie wird aus dem Stiel der Riesenkerbel (sonnenschirmähnliche Pflanze, bezeichnet grosse Doldengewächse) oder aus Holz gefertigt. Heutzutage wird sie hauptsächlich aus Kunststoff gefertigt.

Melodien werden mittels Luftstrom durch Abdecken oder Aufdecken des unteren Endes mit einem Finger hergestellt. Da eine solche traditionelle Herstellung für Transporte ungeeignet, sehr zerbrechlich und vergänglich ist, wird dieses Instrument heute auch aus Kunststoff hergestellt. Es besitzt heute oft 3 oder manchmal 6 Grifflöcher.



chervil

- Pyrghy (Windinstrument)

Diese grosse, konische Trompete, bei der Luft eingesaugt wird, ist aus Holz gefertigt, um grosse Herden anzulocken (Elch, sibirischer Hirsch, Rotwild).
Es besteht aus zwei identischen konischen Holzhälften, die mit Hilfe von Streifen aus Birkenrinde oder Weide zusammengeknotet sind. Die Spitze wird in die Mundecke eingeführt, und Luft wird mit Kraft angesaugt, was einen Ton erzeugt, der dem Ruf eines Rehwildes ähnelt.

Heute wird dieses Instrument auch als Signalgebungsinstrument verwendet, um Feiern in der Gemeinde, Clan-Treffen und Schmanensitzungen einzuläuten.



- Timîr Khomys – Maultrommel.

Dabei handelt es sich um ein kleines, hufeisenförmiges Instrument, an welchem eine steife Feder befestig ist. Heutzutage wird es aus Blech oder Stahl gefertigt (timîr khomys bedeutet wörtlich übersetzt “Eisengerät“ ), aber früher wurde dieses Instrument aus Holz hergestellt.

Der Spieler platziert den Rahmen des Instruments mit seiner linken Hand an seinem Mund, wobei die Vorderzähne damit in Berührung kommen, und stösst die Feder, die als “Zunge” bezeichnet wird, mit seiner rechten Hand an. Die Instrumentenzunge wirkt wie ein Vibrator, während die Mundhöhle als Resonanzkörper fungiert. Der Spieler kann Tonhöhe und -lage verändern, indem er die Form der Mundhöhle ändert, die Kehle öffnet oder schliesst und die Stärke des Kontakts mit der Instrumentenzunge ändert.






- Tüür - Rahmentrommel oder Schamanentrommel (tungur) – (Schlaginstrument)

Die Trommel besteht aus einem runden Holzrahmen, der im Inneren mit einem vertikalen und einem horizontalen Holzstab fixiert und mit der Haut eines Paarhufers bedeckt ist. Früher wurde die Trommel nur als Ritualinstrument von Schamanen (kham) verwendet. Heute wird sie aber als das Hauptschlaginstrument in Musikgruppen eingesetzt.

Wird sie als Ritualinstrument verwendet, so befinden sich auf der Aussenseite des Trommelkopfes Zeichnungen sowie farbige Bänder (chalama), während Metallstückchen und Glöckchen an horizontalen Stäben im Inneren befestigt sind.

- Orba – Trommelschlegel aus Holz und Leder, gehört zur tüür.

Er ist aus der Harnblase eines Tieres hergestellt und mit Körnern gefüllt und weist einen Griff auf.



- Khongyros (Perkussionsinstrument)

Rassel aus Leder mit Körnern gefüllt.
- Khazykhtar (Perkussionsinstrument)

Rassel aus Schafsknochen.

- Sang (Perkussionsinstrument)

Aus Eisen gefertigt Glocke mit einem Ibex Handgriff aus Holz geschnitzt.

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